Stolz halten Strobl und Kretschmann den Koalitionsvertrag in die Kamera – dass sie geheime Nebenabsprachen getroffen haben, kam erst jetzt heraus. Foto: dpa

Die grün-schwarze Sparsamkeit ist bisher mehr Schein als Sein, kommentiert unser Redakteur Arnold Rieger.

Stuttgart - Als Grüne und CDU vor acht Wochen ihren Koalitionsvertrag aushandelten, haben sie das mit lautem Wehklagen über die angespannte Haushaltslage untermalt. Mit Blick auf die Kluft von mehr als zwei Milliarden Euro, die jedes Jahr zwischen Soll und Haben klafft, war dieses Lamento durchaus angebracht. Das trostlose Resultat des Kassensturzes hatte für die neuen Bündnispartner aber auch ein Gutes: Es gab einen idealen Hintergrund ab für das Selbstbild von Grün-Schwarz als treu sorgender schwäbischer Hausfrau, die alles unter Finanzierungsvorbehalt stellt, also nur so viel Geld ausgibt wie sie hat. Gibt es ein besseres Image für eine baden-württembergische Landesregierung?

Zum Verdruss der Spitzenkoalitionäre drang mittlerweile allerdings an die Öffentlichkeit, dass diese Tugend nur Theater war. Denn in einer geheimen Nebenabsprache listen die Koalitionspartner Vorhaben in Milliardenhöhe auf, die ausdrücklich nicht unter Haushaltsvorbehalt stehen. Ganz offensichtlich ist es also um die Landesfinanzen doch nicht so schlecht bestellt, wie Grün-Schwarz im anfängliche Lamento hatte glauben machen wollen. Auch der Landesrechnungshof erwähnt jetzt in seiner Denkschrift Rekordüberschüsse und Ausgabereste, die das Land dank der guten Konjunktur in den letzten Jahren verbuchen konnte. Da auch die Flüchtlingszahlen deutlich sinken, hat Schwarz-Grün also gute Aussichten auf anhaltend stabile Einnahmen.

Den Haushalt wetterfest machen

Warum dann das grün-schwarze Versteckspiel mit der Nebenabrede? Weil zum Bild des guten schwäbischen Wirtschaftens auch gehört, Einnahmen nicht sofort zu vervespern, sondern anzulegen. Den Haushalt „wetterfest machen“ nennt dies Rechnungshofpräsident Max Munding. Angesichts der unsicheren Weltlage wäre dies vernünftig. Denn wie sich der Brexit auf die exportorientierte Wirtschaft im Land auswirkt, ist ebenso unsicher wie die Situation der Flüchtlinge. Mit ihrer Wunsch- , nein Bestellliste in Milliardenhöhe liefert die Koalition jedoch den augenfälligen Beweis, dass sie das Geld lieber in prestigeträchtige Neuprojekte wie den Kinderbildungspass steckt als in einen wetterfesten Haushalt – und ebendiesen Eindruck suchte sie durch Geheimhaltung zu vermeiden.

Hinzu kommt, dass der Landeshaushalt ein Strukturproblem hat, also zu hohe Fixkosten aufweist, die vor allem von den vielen Personalstellen herrühren. Auch an dieser Front macht sich Grün-Schwarz angreifbar, denn die Maßhalteappelle und angekündigten Einschnitte für Beamte kontrastieren hart mit der Großzügigkeit beim Erfinden neuer Posten: Fast hundert Stellen sollen in den Landesministerien entstehen, damit die neue Landesregierung ihre selbst gewählten Schwerpunkte umsetzen kann. Das Kultusministerium beschäftigt darüber hinaus mehr als 140 Beamte mehr, als im Stellenplan ausgewiesen sind: Es ordnet einfach Lehrer zu sich ab, wie jetzt der Rechnungshof aufdeckte. Fazit: Grün-Schwarz erweckt schon nach zwei Monaten den Eindruck, Wasser zu predigen und heimlich Wein zu trinken.

Schutzwall gegen weitere Schulden

Immerhin hat sich die neue Koalition dazu durchgerungen, 2017 keine neuen Schulden mehr zu machen – wie schon Grün-Rot die Jahre zuvor. Alles Andere ließe sich angesichts der guten Einnahmesituation auch nicht vermitteln. In vier Jahren müssen die Länder nach der Vorgabe des Grundgesetzes ihre Kosten ohnehin aus eigener Kraft decken, also ohne neue Kredite. Wenn nun der Rechnungshof darauf drängt, dieses Prinzip auch in die Landesverfassung aufzunehmen, dann weniger in rechtlicher als in moralischer Absicht: Dies wäre ein Schutzwall gegen weitere Schulden.

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