Einen neuen Anstrich möchten viele Konservative der Merkel-CDU verpassen. Doch die Vorsitzende sperrt sich. Foto: dpa

Die Konservativen in der Kanzlerpartei dringen immer stärker auf Kurskorrekturen. Doch in der Sache können , wenn es konkret wird, nicht liefern.

Berlin - Der CDU geht es nicht gut, und die Wahlschlappen vom 13. März haben nur mathematisch präzise zum Ausdruck gebracht, was längst zu spüren war: Ein Riss geht durch die Partei. In der Bundestagsfraktion wurde die Kanzlerin am Dienstag gefragt, warum sie „sehenden Auges“ die rechte Flanke geopfert habe. In Interviews überschlagen sich CSU-Politiker mit Breitseiten gegen Angela Merkel. Und wenn das Mikrofon abgeschaltet ist, sagen sie sogar: Die ist keine von uns.

Die CDU ist eine Union. Das ist der Punkt. Früher, als die Welt noch halbwegs überschaubar und der ideologische Feind klar zu verorten war, hat das niemand bemerkt. Für die simple Rhetorik entlang der handlichen Ost-West-Spaltung spielte es keine Rolle, ob jemand zur CDU stand, weil er deren christliche Wurzeln schätzte oder deren marktliberale – oder deren konservative. Es lief auf dasselbe hinaus: das Land stark machen gegen die Bedrohung aus Moskau. Krisen spielten sich im Fernsehen ab. Vietnam – ein TV-Erlebnis. Gruselig, aber ohne Folgen für die nächste Umgebung.

So praktisch ist es nicht mehr. Machtvakuum im Irak, der Zerfall Syriens, Terroranschläge in Europa – das hängt alles plötzlich zusammen. Die Folgen der Konflikte erreichen uns – auch in Form von Hunderttausenden Flüchtlingen. Wie einfältig ist da die Vermutung, ein unbedachtes Handyfoto hätte die letzten Ausläufer der Krisenwellen vor unsere Haustür gespült. Nun zeigt es sich, dass es heute offenbar nicht mehr egal ist, ob es christliche oder konservative Wurzeln sind, aus denen Handlungsanleitungen für praktische Politik gewonnen werden. Das ist die eine Erklärung für den Riss.

Aber jenseits der Tagespolitik muss die Union zudem erkennen, dass sie nur eine Entwicklung nachvollzieht, die die Sozialdemokraten schon länger und noch schmerzhafter erleiden. Die Milieu-Bindungen lockern sich, und die Milieus selbst ändern sich. Sehenden Auges hatte es der Kandidat Guido Wolf vermieden, ein Angebot für das städtische Publikum zu entwickeln, weil er die Partei wenigstens im Wahlkampf aus einem Guss präsentieren wollte. Nur lässt sich auf der Schwäbischen Alb eben nicht einsammeln, was in den Metropolen verloren geht. Und das vielleicht für alle Zeiten.

Denn was heißt konservativ? Bitte! Nur ein einziges Mal möchte man von Merkels Kritikern plausibel erklärt bekommen, was sie denn genau meinen, wenn der Kanzlerin vorgeworfen wird, sie mache keine konservativen Angebote. Doch alle Papiere der Lordsiegelbewahrer des Konservatismus enden in blutleerem Wortgeklingel. Weil die Sache eben nicht so einfach ist. Wer junge Familien stärken will (konservativ!), der muss doch wohl dafür sorgen, dass junge Frauen Beruf und Kinderwunsch miteinander vereinbaren können. Wer die Wirtschaft stärken will (konservativ!) muss Maßnahmen gegen den horrenden Fachkräftemangel ergreifen, was ohne Einwanderungsgesetz kaum gehen wird. Und er muss dafür sorgen, dass weder Renationalisierung noch Grenzzäune den Handel beeinträchtigen. Und wer Sicherheit garantieren will, vor Terror, Banden, Schleuser- und Armutskriminalität (erzkonservativ!), muss dafür sorgen, dass die Zusammenarbeit in der EU reibungslos funktioniert – unter Aufgabe nationaler Zuständigkeiten. Gewiss: Das ist alles schrecklich kompliziert. Aber so ist das Leben. Konservativ ist keineswegs der, der in jeder Rede dreimal Heimat und Nation beschwört, sondern dafür sorgt, dass sich Werte auch leben lassen.

Merkel hat für ihre Politik wieder und wieder Mehrheiten auf den Parteitagen gefunden. Selbst in der Flüchtlingsfrage. Dort sollten ihre Kritiker aufstehen und kämpfen. Das aber tun sie nicht.

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