Hanfpflanze: Aus ihren Blättern lässt sich Marihuana herstellen Foto: dpa

Die Debatte über die Cannabis-Freigabe verselbstständigt sich: Sie kann dazu führen, dass Jugendliche die Droge für harmlos halten.

Stuttgart - Jugendliche haben oft einen feinen Sinn für Logik. Da dürfte es ihnen schwerfallen zu begreifen, warum man sie einerseits bei Konzerten oder im Club auf Cannabisbesitz filzt – während der Ministerpräsident andererseits fordert, über den Sinn solcher Repression doch einmal grundsätzlich zu diskutieren. Es dürfte ihnen auch schwerfallen, den Sinn des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots zu verstehen, wenn andererseits ein neues Rauschgift salonfähig gemacht werden soll – aus welchen Gründen auch immer.

Die Botschaft, die Jugendliche darin lesen, kann eigentlich nur lauten: „Die da oben“ sind sich selbst nicht einig. So schlimm können Haschisch, Marihuana und vielleicht auch die anderen Drogen also nicht sein. Ebendiesen Effekt befürchtet Innenminister Reinhold Gall, wenn er jetzt vor „falschen Signalen“ warnt. Da mag die Absicht der „Legalize-it“-Befürworter noch so edel sein: Die Missverständnisse sind vorprogrammiert. Wenn Kretschmann also nicht aufpasst, werden Suchtberater und Polizei um Jahre zurückgeworfen. Zum Alkoholproblem der Gesellschaft käme ein weiteres. Das kann nicht seine Absicht sein.

Innenminister Gall macht keinen Hehl aus dem Dissens zu seinem Regierungschef. Sein Nein gründet einerseits auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Cannabis-Produkte psychische Risiken bergen. Als SPD-Mann ist er aber auch Wahlkämpfer, und bei diesem Thema weiß er die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Umso rätselhafter ist es, warum der Ministerpräsident dieses Einfallstor für Kritiker öffnet. Da mag er noch so oft betonen, Grün-Rot habe keine Cannabis-Agenda, es stünden keine Beschlüsse an. Das Thema kann ihm gewaltig verrutschen – doch damit haben die Grünen seit dem Veggie-Day ja Erfahrung.