Bosch ist fast 130 Jahre alt – doch der Konzern besinnt sich auf seine Stärken, um diese ins digitale Zeitalter zu verlängern. Das Stuttgarter Unternehmen könnte so zur treibenden Kraft des Wandels werden, meint Klaus Köster.

Stuttgart - Gemessen an dem, was in manchen Management-Lehrbüchern steht, ist Bosch ein ziemlich altmodisches Unternehmen. Denn zur reinen Lehre zählt das Prinzip, Kerngeschäfte zu definieren, auf denen man sich für stark hält und auf die man die gesamten Kräfte konzentriert. Bosch dagegen ist schon immer sehr breit aufgestellt.

Der Konzern wird zwar von der Kraftfahrzeugsparte dominiert, die mit Abstand den meisten Umsatz bringt; aber Bosch stellt eben nicht nur Autos her, sondern auch Herde, Spülmaschinen, Bohrmaschinen, Verpackungsmaschinen und Heizanlagen. Trotz dieser Abweichungen von manchem Management-Prinzip ist der Konzern unter dem Strich sehr erfolgreich. Oder gerade deswegen?

Bei Bosch arbeiten die einzelnen Sparten nicht isoliert nebeneinander her, sondern sie bündeln Kompetenzen, mit denen sie das Unternehmen als Ganzes voranbringen. Viele Technologien wie etwa die Sensorik finden über die einzelnen Sparten hinaus ihre Anwendungen.

Ein Auto benötigt Sensoren für die Fahrstabilität; mit der gleichen Technik kann der Herd überwachen, ob ein Kuchen gelingt. Darüber hinaus lassen sich die technischen Helfer sehr gut an Smartphone-Hersteller verkaufen. So kann Bosch seine Kompetenzen auf vielen Märkten ausspielen und dadurch nicht nur die Kosten breit verteilen, sondern sich auch unabhängiger machen vom Auf und Ab einzelner Branchen.

Was früher als altmodisch galt, passt heute

Die breite Aufstellung erweist sich heute als geeignete Basis für den Aufbruch in eine digitalisierte Welt. Der Konzern wird zunehmend vom Industrieunternehmen zum Anbieter von Vernetzungslösungen, bei denen die einzelnen Produkte nicht mehr für sich stehen, sondern über das Internet miteinander kommunizieren. Das Auto kommuniziert mit der Heizung oder mit dem Herd, damit der Anwender Zeit spart und sich auf andere Dinge konzentrieren kann. Die Produkte gehen nicht etwa ins Internet – sie werden Teil des Internets; und je intensiver sie miteinander verbunden werden, desto stärker vernetzt der Konzern auch seine eigenen Sparten miteinander.

Gerade heute erweist sich die breite Aufstellung als Stärke, erlaubt sie doch, technische Lösungen in einer großen Bandbreite zu entwickeln und aufeinander abzustimmen. Manch eine Lösung gilt sogar einem Problem, das der Kunde bisher noch gar nicht kannte. Doch das spricht nicht gegen deren Marktchancen – im Gegenteil: Vor zehn Jahren vermisste auch kein Handybesitzer sein Smartphone, weil es dieses noch gar nicht gab. Heute wollen viele es kaum noch aus der Hand legen.

Dass Konzernchef Volkmar Denner zugleich Chef des Forschungsbereichs ist, hat eine klare Signalwirkung: Der Konzern will sich von der rasanten Digitalisierung nicht treiben lassen, sondern räumt neuen Technologien höchste Priorität ein. Doch um einen Industriekonzern mit 360 000 Mitarbeitern in die digitale Zeit zu führen, reicht es nicht aus, immer neue technische Lösungen zu ersinnen – vielmehr ist es notwendig, eine neue Unternehmenskultur zu etablieren.

Das Denken in geschlossenen Lösungen mit festen Produktzyklen muss zumindest ergänzt werden durch die Bereitschaft, auf einem schnelllebigen Markt zu bestehen, auf dem Neues ständig ausprobiert und jederzeit wieder verworfen werden kann. Das erfordert bei einem Unternehmen mit einer fast 130-jährigen Tradition ein radikales Umdenken. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für dieses Umdenken ist, dass es von der obersten Führungsebene vorgelebt wird. Da ist es hilfreich, dass sich Konzernchef Denner für die neuen Technologien begeistert und sie nicht in erster Linie als Bedrohung sieht. Denn das sind sie in der Tat vor allem dann, wenn man sich ihnen verweigert.

.