Wäre am Sonntag Landtagswahl, hätte Ministerpräsident Winfried Kretschmann allen Grund zur Freude: Sieben von zehn Wahlberechtigten sind mit seiner Arbeit zufrieden Foto: dpa

Ein Jahr vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg bleibt die Spannung für die Parteien erhalten, denn Grün-Rot und Schwarz-Gelb liegen in der berühmten Sonntagsfrage gleichauf. Würde jetzt gewählt, kämen Regierung und die Landtags-Opposition jeweils auf 43 Prozent. Somit bleibt alles offen, meint unser Landesnachrichtenchef Jan Sellner.

Stuttgart - Der Begriff Demoskopie setzt sich aus den griechischen Wörtern demos (Volk) und skopein (spähen) zusammen. Demoskopen, Meinungsforscher, sind also gewissermaßen Volksspäher, deren Spähergebnisse von den Parteien begierig aufgesogen werden – auch wenn sie deren Bedeutung gelegentlich kleinreden.

Tatsächlich jedoch schauen die Parteien – ein Jahr vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg – ganz genau hin, was die Umfrageinstitute an Stimmungen und Trends in der Bevölkerung ermitteln. Die Akteure wollen wissen, wo sie in der Wählergunst stehen – zumal die oppositionelle CDU im Vergleich zur letzten Umfrage vom November jetzt auch mit einem Spitzenkandidaten aufwarten kann. Das erklärt die Spannung in der landespolitischen Szene.

Diese Spannung bleibt auch nach Veröffentlichung der jüngsten Ergebnisse erhalten, denn Grün-Rot und Schwarz-Gelb liegen in der berühmten Sonntagsfrage gleichauf: Würde jetzt gewählt, kämen Regierung und die Landtags-Opposition jeweils auf 43 Prozent; gegenüber der November-Umfrage macht die Regierungskoalition dabei einen Prozentpunkt gut.

Bemerkenswert sind die Verschiebungen zwischen den Parteien: Die Grünen werden stärker, die SPD schwächer. Die beiden Regierungsparteien, die bei der Landtagswahl nur 1,1 Prozentpunkte auseinander lagen, trennen aktuell sieben Prozentpunkte. Das ist in erster Linie der Dominanz des grünen Regierungschefs geschuldet. Winfried Kretschmann schwebt gleichermaßen über dem Land: Sieben von zehn Wahlberechtigten sind mit seiner Arbeit zufrieden. Sein authentischer Typ ist gefragter denn je. Auf dieser Ebene ist er uneinholbar.

Enttäuschung für die CDU

Doch er ist nicht unverletzlich, denn die Fortsetzung des grün-roten Bündnisses erscheint durch die anhaltende Schwäche der SPD höchst ungewiss. Ähnlich wie im Bund befinden sich die Südwest-Genossen im Jammertal – trotz ihres wackeren Parteichefs Nils Schmid, der in seinem Amt als Wirtschafts- und Finanzminister deutlich an Statur gewonnen hat und auf wichtigen politischen Feldern (Erbschaftsteuer) die treibende Kraft in der Regierungskoalition ist. In dieser Situation eine Koalition mit der CDU auszuschließen, wie es die SPD soeben auf ihrem Landesparteitag getan hat, könnte sich als vorschnelle Festlegung erweisen.

Nach einer anderen Festlegung wird nun dagegen zu Recht gefragt werden: Schließt die SPD eine Koalition mit den überraschend starken Linken aus, sollten diese in den Landtag einziehen? Auch die Grünen müssen in dieser Frage Position beziehen: Rein rechnerisch ist Grün-Rot-Rot im Südwesten sehr wohl denkbar.

Eine Enttäuschend hält die Umfrage für die CDU bereit. Von einem Guido-Wolf-Effekt ist nichts zu spüren. Im Vergleich zum November büßte die weiterhin mit Abstand stärkste Partei im Land sogar drei Prozentpunkte ein. Immerhin sind Wolfs Bekanntheitswerte gestiegen – alles andere wäre auch überraschend, denn der CDU-Kandidat durchstreift das Land nach allen Regeln der Kunst. Bisher ist es dem CDU-Spitzenkandidaten allerdings nicht gelungen, das in vielen Bereichen unklare CDU-Profil zu schärfen und überzeugende Positionen zu entwickeln. Gute Stimmung, die Wolf bei seinen Auftritten ein ums andere Mal erzeugt, ist nicht gleichbedeutend mit Wechselstimmung – wie die Umfrage zeigt.

Hoffnung schöpfen dürfen die Liberalen, die erstmals seit der Wahl 2011 wieder bei fünf Prozent stehen. Ihr Wiedereinzug ins Parlament ist aus heutiger Sicht wahrscheinlicher als ein Erfolg der unsteten AfD. Gleichwohl: Alles ist offen. Die einzig verlässlichen Zahlen lauten 13. 3. 2016. An dem Tag wird gewählt.