Bundespräsident Joachim Gauck hat nur eine Routine-Erklärung des 75. Jahrestags des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion abgegeben. Foto: AFP

Der Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion geht in Routine unter. Das ist ein Fehler, kommentiert Redakteur Thomas Maron.

Berlin - Anlässlich des 75. Jahrestages des Überfalls der Wehrmacht auf die Sowjetunion gaben Bundesregierung und Bundespräsident ein trauriges Bild ab. Es fehlte die Größe, angemessen innezuhalten, den 27 Millionen Toten – überwiegend Zivilisten – Respekt zu zollen, das Leid einfacher Menschen über historische und persönliche Aufrechnung und aktuelle Konfliktlagen zu stellen.

Hätte Joachim Gauck seine eigenen, dramatischen Worte („beispielloser Vernichtungskrieg“) ernst genommen, das Staatsoberhaupt hätte sich des Themas nicht mit einer Routineerklärung, online gleich unter der Ankündigung des Tags der offenen Tür in der Villa Hammerschmidt platziert, entledigen dürfen. Auch Kanzlerin Angela Merkel ließ die Sensibilität vermissen, Präsident Wladimir Putin nicht mit den Russen, die er befehligt, gleichzusetzen, in deren Familien sich die millionenfache Klage über das von Deutschen begangene Leid noch immer vererbt.

So tat man nur das Nötigste und verpasste die Chance, dem russischen Volk zu signalisieren, dass Deutschland jetzt, nach 75 Jahren, fest an dessen Seite steht, dass Wunden geschlossen werden können, ganz egal, welcher Despot das Riesenreich regiert. Mitfühlende Gesten an so einem Tag hätten Putin überdauert. Ignoranz stärkt hingegen seine Herrschaft.