Die Statistik stellt den Verkehrsteilnehmern in Stuttgart kein gutes Zeugnis aus. Foto: dpa

Das schöne Wetter lockt Verkehrsteilnehmer auf die Straßen: Bei Sonnenschein im Frühling passieren mehr Unfälle. Da müssen nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger, Motorradfahrer und Radler umdenken, findet Wolf-Dieter Obst.

Stuttgart - Man kann es fast nicht glauben, doch die Polizei ist davon überzeugt: Ist das Wetter zu schön, gibt es in Stuttgart mehr Unfälle. Bisher hatte man stets geglaubt, viel Schnee und heftige Regengüsse würden mehr Karambolagen auf Stuttgarts Straßen auslösen. Doch weit gefehlt: Höhere Temperaturen bis Mai, weniger Niederschläge bis Juni sowie viele Sonnenstunden – das hat die Unfallzahlen 2014 deutlich steigen lassen. 26 292 Unfälle sind der zweithöchste Wert überhaupt.

Doch natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Denn die Sonne wirft ihre Schatten ja nicht nur auf Stuttgarts Verkehrsteilnehmer. Aber in der Landeshauptstadt gibt es bedenkliche Entwicklungen, die im krassen Gegensatz zum Land stehen. In Stuttgart gibt es deutlich mehr Alkoholunfälle, landesweit gehen sie zurück. Ähnlich verschieden ist der Trend bei Fußgänger-Unfällen, bei Unfällen mit Kindern und jungen Erwachsenen, bei Karambolagen unter Drogeneinfluss. Und dann die Zahl der Verletzten: In Stuttgart sind sie überproportional gestiegen. Typisch Stadt eben?

Dass das schöne Wetter Unfälle fördert, sieht man insbesondere bei den Motorradpiloten und Radfahrern. Zwischen 450 und 500 sind im vergangenen Jahr verunglückt – deutlich mehr. Das eigentlich Besorgniserregende ist aber etwas anderes: In fast 60 Prozent der Fälle haben die verunglückten Radfahrer selbst den Unfall verschuldet – sie sind also eher Täter als Opfer. Bei den Motorradfahrern ist es genau umgekehrt.

Darüber sollten Radfahrer doch mal etwas genauer nachdenken. Es ist natürlich leicht, über fehlende Radwege oder rücksichtslose Autofahrer zu schimpfen. Etwas anderes ist es, selbst die Verkehrsregeln einzuhalten. Rote Ampeln, verbotene Wege – das Risiko, erwischt zu werden, ist für Radfahrer bekanntlich äußerst gering. Kein Wunder also, dass sich viele Pedaleure bewusst über Verkehrsregeln hinwegsetzen. Wenn aber etwas passiert, dann sind die Folgen erheblich. Die Zahl der schwer verletzten Radler ist mit 71 deutlich gestiegen.

Noch immer ist umstritten, ob Radfahrern eine Helmpflicht aufgebrummt werden soll. Erst kürzlich ist eine 27-Jährige in Feuerbach trotz Schwangerschaft und Rotlichts über eine Fußgängerfurt geradelt, wurde prompt angefahren und schwer verletzt. Einen Schutzhelm hat sie nicht getragen – wie übrigens die Mehrheit nicht. Nur 29 Prozent der Radler, nicht mal ein Drittel, waren beim Unfall mit Helm geschützt. Bei den E-Bike- und Pedelec-Fahrern waren es nicht mal die Hälfte. Hier wäre ein Umdenken dringend nötig. Vor allem jetzt, da das Wetter wieder voll auf Frühling schaltet. Sonne ist schön – ein Unfall kann ein ganzes Leben überschatten.