Soll mehr Geld bekommen: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Foto: AP

Den Rüstungsetat aufzustocken macht vor dem Hintergrund derzeitiger Krisen Sinn, meint unser Chefredakteur Christoph Reisinger. Wichtig ist ihm jedoch auch, dass die Bürger erfahren, was das für Deutschland bedeutet.

Stuttgart - 1,2 Milliarden Euro mehr fürs Militär im kommenden Jahr – das ist viel Geld. Doch was ist es wert? Für die Ressortchefs – auch die Etats des Innen-, des Außen- und des Entwicklungsministeriums steigen – ist dieses Geld ein Gewinn. Es verschafft ihnen an manchen Stellen neue Gestaltungsspielräume, an anderen mildert es den Spardruck. Mit anderen Worten: Es wertet die Minister auf.

Das gilt speziell für Ursula von der Leyen. Noch im September war sie mit ihrem Ruf nach mehr Mitteln für ihr Verteidigungsministerium bei der Kanzlerin, bei Kabinettskollegen und in den Umfragen auf Grund gelaufen.

Viel wichtiger aber ist: Deutschland steckt mehr Geld in seine Sicherheitsvorsorge, also in jenen Bereich, aus dem der Staat einen erheblichen Teil seiner Daseinsberechtigung ableitet. Gut so. Schließlich nehmen die Herausforderungen zu. Noch vor 18 Monaten hätten sich sicher die wenigsten Europäer vorstellen können und schon gar nicht mögen, dass die stärkste Militärmacht des Kontinents Konflikte mit einem anderen europäischen Staat auf breiter Panzerkette und per Landnahme klärt. Genau das aber ist heute ein zentrales Merkmal der russischen Außenpolitik.

Derweil sind die terroristischen Bedrohungen nicht geringer geworden. Ebenso wenig die Gefahren, die der Zerfall von Staaten wie Libyen und Syrien oder die globale Ausbreitung von Gewaltideologien wie dem militanten Islamismus nach sich zieht. Daher ist es ein Wert an sich, wenn die Regierung manche Akzente in ihrer Etatplanung entsprechend verschiebt und ihr der Bundestag folgt. Denn darin spiegelt sich das grundsätzlich richtige Bewusstsein für das, was jetzt getan werden muss.

Die Frage nach dem Wert des zusätzlichen Geldes für Sicherheitsbehörden ist damit aber nicht abschließend beantwortet. Bemessungsgrundlage darf schließlich nur sein, ob mehr Geld auch mehr Sicherheit bedeutet. Da sind Zweifel angebracht.

Der deutschen Sicherheitspolitik fehlt Profil

Um beim Verteidigungsetat zu bleiben, der im kommenden Jahr um 3,7 Prozent auf 34,2 Milliarden Euro und dann bis 2019 schrittweise um weitere 800 Millionen Euro wachsen soll: Von der Leyen hat den Eindruck nicht ausräumen können, dieses Geld verpuffe mit Masse in Lohnsteigerungen und in den Zusatzkosten für Rüstungsvorhaben, die vor allem durch miserables Projektmanagement im Ministerium und in der Industrie entstanden sind. Das aber sind schwache Argumente, um den Steuerzahlern den kräftigen Schluck zu vermitteln, den die Ministerin nehmen will.

Was ganz gewiss nicht allein und nicht einmal in erster Linie in ihrer Verantwortung liegt. Der deutschen Sicherheitspolitik fehlt nach wie vor ein Profil, das klar und berechenbar mehr aufzeigt als die bloße Mitgliedschaft in Nato und EU. Ein solches Profil aber wird – wenn es richtig läuft – nicht bloß in einem Verteidigungsministerium gemacht, sondern auch im Kanzleramt, im Auswärtigen Amt, im Bundestag, in einer öffentlichen Debatte. In allen diesen Ecken aber herrscht beklemmende Stille zu diesem Thema.

Ein Beispiel: Es zeichnen sich sehr wohl Retuschen an dem seit Guttenberg-Zeiten gültigen und wenig überzeugenden Reformkonzept ab, die Kampfkraft – speziell von Heer und Marine – herunterzufahren. Aber Bürger, die im kommenden Jahr nochmals 1,2 Milliarden Euro für die Verteidigung obendrauf legen sollen, hätten ein Recht darauf zu erfahren: Soll die Landes- und Bündnisverteidigung jetzt wieder einen höheren Stellenwert bekommen? Wie hoch in etwa? Und in Abwägung wogegen?