Der Feminismus ist längst nicht überflüssig: Auch heute noch werden Frauen häufig auf ihr Aussehen reduziert. Daher ist es umso wichtiger, dass sich hochrangige Politiker wie Angela Merkel öffentlich zu der Bewegung bekennen, schreibt Redakteurin Melanie Maier.
Berlin - „Dann bin ich auch eine.“ Mit diesen fünf schlichten Worten hat Angela Merkel sich öffentlich zum Feminismus bekannt – nach einigem guten Zureden der niederländischen Königin Máxima, zugegeben. Eine Feministin sei doch jede Frau, die für die Selbstbestimmung aller anderen Frauen eintrete, sagte Máxima während des G-20-Frauengipfels am vergangenen Dienstag in Berlin. Neben ihr auf dem Podium: Ivanka Trump, die Tochter von Donald Trump und seit einem Monat die offizielle Beraterin des US-Präsidenten.
Trump, die sich selbst als Feministin bezeichnet, erschien in einem blau-weiß gemusterten Blümchenkleid. Merkel trug einen roten Blazer, dazu eine schwarze Hose. Dies nur kurz vorweg, um zu zeigen: Auch wer sich in vornehmlich weiblich konnotierter Kleidung zeigt und gerne Lippenstift benutzt, kann eine Feministin sein. Ein Kleid, auf dem bunte Blumen zu sehen sind, ist kein Bekenntnis zu konservativ ausgerichteter Politik. Es ist nicht einmal ein Bekenntnis zu Blumen – allenfalls kann man davon ableiten, dass der Trägerin das Blümchenkleid gefällt. Manch einem mag dieses Argument überflüssig vorkommen. Doch Frauen werden auch heutzutage noch immer wieder auf ihre Kleidung, ihr Aussehen und damit nicht zuletzt auf ihr Geschlecht reduziert.
Ein Beispiel dafür findet sich schnell: Am 19. April postete die österreichische Journalistin Corinna Milborn ein Video auf Facebook, in dem sie Stellung bezog zu einer Kritik des Extremsportlers Felix Baumgartner. Milborn hatte sich kurz zuvor öffentlich zu einem Werbefoto eines Unterwäscheherstellers geäußert. Darauf zu sehen: sechs Frauen, die – nur in knappen Spitzenhöschen bekleidet – in einem verschmutzten Raum auf einem Teppich liegen. Das Bild erinnerte Milborn an ihre Recherchen zum Thema Menschenhandel. Auch Frauenhändler, schreibt sie, zeigten ihre Opfer „wenig oder nicht bekleidet in Abbruchhäusern oder Kellern, oft von hinten fotografiert, damit man das Gesicht nicht erkennt und die Frauen nicht gefunden werden können.“
„Zu hübsch um ernst genommen zu werden“
Felix Baumgartner missfiel die Kritik der Moderatorin. Dass sie sich aufrege, sei „bei der Figur auch kein Wunder“, schrieb er seinerseits auf Facebook. Diese Argumentation ergebe keinen Sinn, konterte Milborn: „Sie sind nicht auf den Inhalt eingegangen, sondern haben zusammenhanglos mein Aussehen, meinen Körper thematisiert. Das passiert Frauen dauernd, und es trifft alle: Zu hübsch um ernst genommen zu werden, zu blond um gescheit zu sein, zu sexy oder zu unweiblich, zu stark geschminkt oder zu hässlich, zu dünn oder zu dick, zu alt oder zu dunkelhäutig (oder mit der falschen Figur um eine Meinung zu äußern – was, mit Verlaub, wirklich zum deppertsten gehört).“
Milborns Erklärung mag einigen überzogen vorkommen. Ausufernd sogar, haltlos. Doch man finde eine Frau, die in der heutigen deutschsprachigen Gesellschaft ein derartiges übergriffiges und deplatziertes Verhalten – zumeist von älteren Männern – noch nie erlebt hat. Man wird lange suchen. Insofern: Ein Hurra für Merkels Bekenntnis zum Feminismus. Die Bewegung mag eine Neuausrichtung brauchen, einen Fokus auf aktuellere Themen. Doch sie ist – leider – längst nicht überflüssig. Umso wichtiger dafür ist die Unterstützung hochrangiger Politiker.
Mit ihrer Beurteilung des Wäsche-Bilds stand Milborn übrigens nicht alleine da. Auch Nikolaus Kern – ein Mann! und dazu noch der Sohn des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern (SPÖ) – fühlte sich an einen Menschenhändlerring erinnert. Ihn hat Felix Baumgartner aber nicht auf seine Figur angesprochen.