Foto: dpa

Der grün-rote Koalitionsvertrag verspricht einen neuen Politikstil, sagt Wolfgang Molitor.

Stuttgart - Viel ist in diesen Tagen von echtem Aufbruch die Rede und von einer ökologisch-soziale Wende. Weg frei, die Vorreiter kommen! Der grün-rote Koalitionsvertrag ist unter Dach und Fach, die Zahl der Ministerien erhöht, die Ressorts verteilt und die Posten so gut wie vergeben. Der designierte grüne Ministerpräsident verspricht eine Bürgerregierung und sein roter Stellvertreter wird Superminister für Wirtschaft und Finanzen. Beileibe nicht alles, was im Wahlkampf versprochen worden ist, wird gehalten - aber weil das keine grün-rote Eigenart ist, sei das nur am Rande erwähnt.

Grüne und Sozialdemokraten haben bis zum Schluss tapfer lächelnd miteinander gestritten - und auch das muss wohl so sein, wollen ihre Verhandlungsführer am 7. Mai mit breiter Brust ihre Ergebnisse von den jeweiligen Parteitagen abgesegnet bekommen. Und doch fragt man sich unsicher: Wer von den vielen Vorreitern hat eigentlich das beste Pferd erwischt? Klar: Die Grünen stellen mit Winfried Kretschmann den Chef. Die Sozialdemokraten bekommen dafür mit Nils Schmid den Super-Vize und ein Minister-Pferd mehr als die Grünen. Mehr zu sagen haben sie deshalb aber nicht.

Interessant ist die Tatsache, dass die Grünen das Verkehrsministerium erobert haben. Oder muss man sagen: beunruhigend? Nur mit Mühe hatte die SPD verhindern können, dass der Straßenbau unter die Räder der neuen Landesregierung gekommen ist. Dass im Verkehrsressort alle Stuttgart-21-Wege zusammenlaufen und blockiert werden können, scheint den Grünen manch anderes Opfer wert gewesen zu sein.

Aller Anfang ist schwer. Der öko-ideologische Umgang mit der Automobilwirtschaft, ohne die der Südwesten nicht so wohlhabend wäre, ein neues Integrationsministerium, dessen Aufgaben noch im Dunkeln liegen, die Modernisierung eines Bildungssystems, um das Baden-Württemberg von ganz Deutschland beneidet wird, der trickreiche Ausstiegskurs bei Stuttgart 21: Vor allem die grünen Vorreiter haben sich bereits vergaloppiert und mit den Sporen geklappert, wo ein leichter Schenkeldruck genügte.

Doch wie auch immer: Der grün-rote Koalitionsvertrag steht. Die Vorreiter haben ihre Pferden bestiegen. Jetzt müssen sie beweisen, dass sie sattelfest sind.

Den Koalitionsvertrag können Sie als PDF nachlesen.