Veronika Kienzle (2. von re.) bei der Bürgeranhörung im Gerberviertel Foto: Haar

Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle gewinnt verloren gegangenes Vertrauen der Bürger zurück und macht Mut, sich politisch zu engagieren, meint Lokalredakteur Martin Haar.

Stuttgart - Vielleicht brauchte es diesen Kahlschlag. Diesen rücksichtslosen Akt der Verwaltungsmacht, dieses Schild mit Namen Gerberplätzle einfach abzusägen. Erst danach waren die Bürger wach geworden, aber immer noch nicht aktiv. Keiner brachte sich zunächst bürgerschaftlich oder politisch ein. Offenbar weil eine Art Resignation herrscht. Denn gute Argumente finden selten Gehör. Im Gegenteil. Es gibt immer wieder Fälle, wie zuletzt im Norden, die diese resignative Haltung bestätigen: Stadt, Staat, Investoren hier – machtloser Bürger dort. Damals kanzelte sogar OB Fritz Kuhn Menschen in einer Versammlung ab, die für den Erhalt der Haltestelle Pragfriedhof kämpften. Für die Anwohner im Gerberviertel sind dies alles Symbole für eine Erosion der Identifikation mit ihrer Stadt. Veronika Kienzle hat das erkannt. Indem sie sich in einem Dialog stellte und den Namensstreit nun erneut im Rat diskutieren lässt, hat sie verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen, die Distanz der Verwaltung samt ihrer Chefs zu den Bürgern verringert. Und ganz gleich, welchen Namen der Platz im Gerberviertel in Zukunft trägt, die Causa Gerberplätzle ist schon jetzt ein Erfolg. Es ist wie eine Frischzellenkur in Sachen gelebter Demokratie. Bürger haben gesehen, dass es sich trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen lohnt, für eine Sache zu streiten. Je eher und organisierter desto besser.