Eine päpstliche Rede, ein Satz, drei Worte – und was sie alles auslösen können. Foto: dpa

Papst Franziskus spricht inmitten der Flüchtlingskrise von einer „arabischen Invasion Europas“. Eine unbedachte Äußerung, aus dem Kontext gerissen? Ein Papst muss mit seinen Worten vorsichtig umgehen, meint unser Kommentator.

Stuttgart - „Arabische Invasion Europas“. Der Vatikan bestreitet nicht, dass Papst Franziskus dies gesagt hat. Aber die drei Worte seien völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden. Angesichts der aufgeheizten Atmosphäre in Europa ist ein solcher Satz – ob nun aus dem Kontext gerissen oder nicht – Wasser auf die Mühlen jener, die den „Clash of Zivilisations“ – den Kampf der Kulturen, den Zusammenprall von christlich-abendländischer und islamisch-morgenländischer Welt – für unausweichlich halten oder bereits im vollem Gange sehen.

Verbreitung in der digitalen Welt

„Arabische Invasion Europas“: Dieser Satz hat sich rasend schnell wie ein Virus in den Medien, Blogs, Chatrooms, Social Media und Websites verbreitet. Weltweit titeln Zeitungen und Online-Portale über den päpstlichen Ausspruch. Auch auf rechtspopulistischen und islamfeindlichen Webseiten wird der aus dem Zusammenhang gerissene Satz zitiert. Es ist zu befürchten, dass Islam-Gegner das Gesagte instrumentalisieren und die europaweite Flüchtlingsdebatte zu befeuern versuchen. Und das wenige Tage vor dem so wichtigen EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag ( 7. März) in Brüssel.

Unbedacht? Ungeschickt? Unüberlegt?

Ein flotter Spruch, eine amüsante Anekdote – Franziskus ist für seinen Humor und seine Offenheit bekannt. War es ungeschickt von ihm, solche Worte zu wählen? War es unbedacht? Eine spontane Eingebung oder ein verbaler Lapsus? Oder wollte er bewusst provozieren? Das ganz sicher nicht. Aber ein Papst, der so auf seine öffentliche Wirkung bedacht ist wie Franziskus und bei dem jedes Wort, das er öffentlich von sich gibt, auf die Goldwaage gelegt wird, kann, darf und sollte nicht von einer „arabischen Invasion Europas“ sprechen.

Wasser auf die Mühlen von Radikalen?

Dieser Satz von höchster Stelle ist – wenn natürlich auch ungewollt – Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, Rechtsextremen und Islamophoben. Und es ist dazu geeignet, die diffuse Angst in der Bevölkerung Europas vor Muslimen und dem Islam allgemein zu fördern. Nach dem Motto: Wenn schon der Papst, der ein Vorbild an Toleranz und Mitmenschlichkeit ist, so spricht, dann muss etwas an der Sache dran sein.

Benedikt XVI. und die Regensburger Rede

Der Vorgang erinnert fatal an das nicht minder umstrittene Zitat Papst Benedikts XVI., das er in seiner Regensburger Rede während seines zweiten Deutschlandsbesuchs am 12. September 2006 machte. Benedikt zitierte dabei aus einem Gespräch des byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos (1350–1425) mit einem persischen Gelehrten: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“

Nur ein Satz – keine Kehrtwende

Hinter solchen Sätzen eine Kehrtwende in der Religionspolitik des Vatikans zu vermuten oder gar einen latente päpstliche Anti-Islam-Haltung zu wittern war im Jahr 2006 total absurd und ist auch heute im Jahr 2016 total absurd. Egal, ob der Papst nun Benedikt oder Franziskus heißt. Der von zahlreichen Kritikern angefeindete Benedikt XVI. hatte und hat nie den geringsten Zweifel daran gelassen, dass er den Dialog mit dem Islam suchen und fördern wollte - genau wie sein Vorgänger Johannes Paul II. und wie jetzt Franziskus.

Franziskus ist Weltbürger, kein Kreuzzügler

Wie seine Vorgänger ist Franziskus ein überzeugter Weltbürger und (lateinamerikanischer) Europäer. Insofern ist er über jeden Zweifel anti-muslimischer, anti-humanistischer, anti-demokratischer oder sonstiger Ressentiments erhaben. Allerdings ist das Verhältnis von Christen und Muslimen seit Jahrhunderten vermintes Gelände. Vor diesem historischen Hintergrund dürfen solche Sätze nicht fallen – schon gar nicht aus dem Mund eines katholischen Kirchenoberhaupts.

Franziskus spricht in keiner Silbe in seiner Rede von neuen Kreuzzügen. Was er fordert sind mehr Menschlichkeit, Integration und Solidarität unter den Völkern Europas und der Welt. Deswegen heißt es auch vollkommen zutreffend in der Stellungnahme von Radio Vatikan: „Wer auch immer das eine Zitat aus dem Zusammenhang reißt und das vor seinen politischen Karren spannen will, der möge aufmerken: Es geht um Bereicherung! Nicht um Angst.“