Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich auf ein bisschen Klimaschutz geeinigt Foto: dpa

Der EU-Gipfel hat sich auf ein Klima- und Energiepaket mit Zielen bis 2030 geeinigt. Zu mehr als einem Minimalkompromiss konnten sich die 28 Staats- und Regierungschefs jedoch nicht durchringen, kommentiert Steffen Rometsch.  

Stuttgart - Am frühen Freitagmorgen haben sich die 28 Staats- und Regierungschefs auf neue Klimaschutzziele der Staatengemeinschaft bis zum Jahr 2030 geeinigt. Dabei von einem Kompromiss zum Wohle des Weltklimas zu sprechen wäre nicht nur sehr optimistisch, sondern schlichtweg gelogen. Was jetzt als Klima- und Energiepaket auf dem Tisch liegt, ist nichts anderes als die Blaupause eines fragwürdigen Deals, der mit Klimaschutz nicht einmal am Rande zu tun hat.

„Ich möchte, dass die europäische Energieunion weltweit die Nummer eins bei den erneuerbaren Energien wird.“ Dies hat der neue Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, sich und seinem Kabinett als eines der zentralen Ziele für die nächsten fünf Jahre auf die Agenda geschrieben. Die Nacht zum Freitag in Brüssel hat zweierlei gezeigt: Zum einen, dass eine Energieunion innerhalb der EU überfällig ist. Zum anderen, dass Juncker dafür noch ganz dicke Bretter bohren muss, weil die Staatengemeinschaft meilenweit davon entfernt ist.

Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) soll im Vergleich zu 1990 verbindlich um mindestens 40 Prozent sinken. Der Anteil der erneuerbaren Energien aus Wind oder Sonne soll mindestens 27 Prozent betragen, und im Vergleich zu 2005 soll 27 Prozent weniger Energie verbraucht werden – hört sich alles ambitioniert an, ist es aber nicht. Umweltverbände rechnen vor, dass 35 Prozent weniger Klimagase schon fast mit den bestehenden Regeln erreichbar sind. Bleiben die Ausbauquote für erneuerbare Energien und das Energiesparen. Hier hat sich der Gipfel nur zu EU-weiten Zielmarken durchringen können. Diese sind niedrig und unverbindlich. Auf dem Papier stehen drei Ziele, zwei davon sind für die 28 Mitgliedstaaten jedoch nicht bindend. Wer diese Ziele erfüllen soll, steht in den Sternen.

Das ist eine Einladung an die Atom- und Kohlelobby. Großbritannien setzt ebenso wie Frankreich stark auf Atomkraft und baut mit aus Brüssel genehmigten Milliardensubventionen das größte Atomkraftwerk des Kontinents. Die Osteuropäer, allen voran Polen, heizen nach wie vor fast ausschließlich mit Kohle. Doch die Bremser in Sachen Klimaschutz sitzen längst nicht nur in Osteuropa oder auf der Insel. Selbst im Energiewende-Land Deutschland hat sich unter Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) der Wind gedreht. Mit der EEG-Reform wird dem Ausbau der Erneuerbaren die Dynamik genommen, die Kohle bekommt eine Art Bestandsgarantie. Energiefressende Unternehmen behalten ihre großzügigen Privilegien.

Die Argumente in Berlin, Warschau oder London sind immer die gleichen: Es geht um Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Finanzmarktkrise, um vermeintlich gefährdete Arbeitsplätze – allerdings fast ausnahmslos bei jenen Unternehmen, die der alten Industriewelt entstammen.

Die EU betont angesichts der Ukraine-Krise seit Monaten, sich in puncto Versorgung unabhängiger machen zu wollen. Energieeinsparung gilt dabei als das probateste Mittel. Mit einem Effizienzziel von 40 Prozent könne die EU ihren Gasimport um rund 40 Prozent gegenüber 2010 senken, hat die Kommission vorgerechnet. Doch dafür fehlt Europas Staatenlenkern die Kraft – jetzt sollen es gerade mal 27 Prozent sein. Unverbindlich, versteht sich.

Bei der Energiepolitik bilden die Europäer nicht einmal ansatzweise eine Union – jedes Land macht, was es für richtig hält. In Zeiten, in denen viel über steigende Strompreise und die Unwägbarkeiten, die aus einer großen Abhängigkeit von russischem Gas resultieren, diskutiert wird, ist das fatal.