Wer eine Wohnung sucht, erlebt Überraschungen – auch solche mit Zusatzkosten Foto: dpa

Den Machenschaften mancher Makler und Vermieter, die Wohnungssuchende schröpfen, muss eine Riegel vorgeschoben werden, meint unsere Redakteurin Eva Funke im Kommentar. Die Stadt sei aber auch gefordert, mehr Sozialwohnungen auf den Weg zu bringen.  

Eine Abiturientin aus dem Bodenseeraum bekommt in Stuttgart einen Studienplatz, eine Studentin aus Berlin nach ihrem Diplom ihren ersten Job in der Landeshauptstadt. Und beide haben eines gemeinsam: Sie suchen in Stuttgart ein Dach über dem Kopf. Das ist ein fast aussichtsloses Unterfangen. Der Wohnungsmarkt in der Landeshauptstadt ist heiß umkämpft und wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Vor allem Geringverdiener, Alleinerziehende, junge Familien oder Menschen mit Handicaps haben wenig oder keine Aussichten, in Stuttgart ein neues Heim zu finden. Denn unter 10 Euro pro Quadratmeter ist in Stuttgart kaum noch eine Wohnung zu bekommen. Allein auf der Vormerkliste der Stadt für eine Sozialwohnung standen in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres rund 3800 Wohnungssuchende. Damit suchen derzeit 225 Menschen mehr als noch im Vorjahr eine preisgünstige Wohnung. Und die Zahl wird steigen, denn künftig werden auch die Flüchtlinge um bezahlbaren Wohnraum anstehen.

Die (Wohnungs-)Not nutzen zweifelhafte Vermittler aus. Um Kasse zu machen, ließen schwarze Schafe in der Branche ihrer Fantasie auch früher schon freien Lauf. Angeheizt wird ihr Einfallsreichtum jetzt aber dadurch, dass den Vermittlern aufgrund des Bestellerprinzips seit vergangenem Sommer die Vermieter als Kunden wegbrechen. Denn das Bestellerprinzip, das vor allem die Mieter ein Stück fairer behandeln will, besagt, dass die Courtage von dem bezahlt werden muss, der den Makler beauftragt. Ist das der Vermieter, muss der bezahlen, deshalb vermietet der jetzt häufig selbst.

Die Blüten, die die Versuche treiben, die neue Regelung zu umgehen, sind nicht nur kurios, sondern oft auch illegal: So zeigen unseriöse Vermittler Interessenten eine Wohnung nur noch gegen eine Besichtigungsgebühr – und die ist selbst dann fällig, wenn kein Mietvertrag zustande kommt. Betreiber von Online-Portalen verlangen vom Mieter Gebühren, wenn die inserierte Wohnung im Internet gelöscht wird. Und andere nehmen unerlaubterweise Bearbeitungsgebühren oder streichen Renovierungskosten ein.

Solchen Machenschaften muss ein Riegel vorgeschoben werden. Der Mieterverein Stuttgart macht das, sobald er von den Maschen der Makler Wind bekommt. Um Erfolg zu haben, sind die Anwälte allerdings darauf angewiesen, dass sich geprellte Mieter als Zeugen zur Verfügung stellen. Das ist derzeit noch viel zu selten der Fall. Da Wohnungssuchende unter Zugzwang sind, beißen diejenigen, die es sich leisten können, in den sauren Apfel – während die anderen leer ausgehen. Und da liegt das Kernproblem: das Fehlen von bezahlbarem Wohnraum.

Deshalb ist der Gemeinderat und allen voran Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) gefordert, den Bau von Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen voranzutreiben. Denn für das Funktionieren einer Großstadt sind auch Menschen mit kleinem Geldbeutel notwendig: Altenpfleger, Krankenschwestern, Polizisten. Finden sie in der Landeshauptstadt keine finanzierbaren vier Wände, blutet die Stadt aus, und der Fachkräftemangel wird in lebenswichtigen Bereichen zum Problem.

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