EZB-Chef Mario Draghi Foto: dpa

Die Europäische Zentralbank öffnet die Geldschleusen so weit wie nie zuvor. Sie entlastet die Schuldner, und den Preis dafür bezahlen die Sparer, die auf ihre Anlagen kaum noch Zinsen erhalten.

Stuttgart - Seit Jahren versuchen Notenbanken, die Welt zu retten, indem sie die Zinsen immer weiter senken. Dies trug im Jahr 2008 maßgeblich zur weltweiten Finanzkrise bei, die fast nahtlos in eine Staatsschuldenkrise mündete. Immer wieder war das Ziel, auf Pump die Wirtschaft anzukurbeln. Doch der Versuch, Schulden durch noch höhere Schulden zu bekämpfen, brachte immer nur kurzzeitige Entlastung – danach kehrten die Krisen umso heftiger zurück. Dennoch öffnet EZB-Chef Mario Draghi nun die Schleusen in einem nie gekannten Ausmaß. Weil die Zinsen bereits am Nullpunkt sind, zieht er seinen letzten Trumpf und druckt den Staaten das Geld gleich selbst.

Draghi begründet den Schritt mit dem Ziel, eine Deflation zu vermeiden, bei der die Verbraucher ständig Preissenkungen abwarten und Käufe aufschieben. Doch tatsächlich ist die Teuerung vor allem deshalb so niedrig, weil Öl sehr billig ist, was Konjunktur und Preisauftrieb eher fördert. Die immensen Risiken der Geldschwemme stehen somit in keinem vernünftigen Verhältnis zu den angeblichen Gefahren einer Deflation. Dass ein Großteil der Staatsanleihen von den nationalen Notenbanken aufgekauft wird, ändert daran nichts – die Überschuldung fällt ohnehin auf alle Staaten zurück.

Die EZB behandelt die Wirtschaft wie ein Räderwerk, bei dem man so lange an Zinssätzen und Kreditvolumina herumschrauben muss, bis die Maschine läuft. Tatsächlich aber hat man es auch in der Wirtschaft mit Menschen zu tun. Draghis niedrige Zinsen verleiten Politiker dazu, ihren Wählern mehr zu versprechen, als sich diese mit ihren Steuerzahlungen leisten können. Deshalb versprechen Politiker Leistungen auf Pump, was durch die niedrigen Zinsen viel einfacher wird. Doch je höher die Schulden, desto stärker müssen die Zinsen sinken. Draghi hat einen Teufelskreis in Gang gebracht, aus dem er nur schwer herausfinden wird.

Den Preis für Draghis Politik bezahlen nicht nur die stärkeren Staaten, die immense Risiken schultern müssen, sondern auch Bürger, die sparen und für die Zukunft vorsorgen. Die Entlastung von Schuldenstaaten und die Belastung von Sparern, die auf lange Zeit mit Mickerzinsen werden auskommen müssen, sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Ungewollt sendet Draghi nicht nur gegenüber ganzen Staaten, sondern auch gegenüber dem Bürger das Signal aus, dass derjenige, der solide wirtschaftet, der Dumme ist.

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