Mit dem besten Ergebnis bei einer Präsidentenwahl in der Ukraine übernimmt der Komiker Wolodymyr Selenskyj die Macht. Foto: AP

Der TV-Star Wolodymyr Selenskyj hat bei der Präsidentenwahl in der Ukraine den schwerreichen Präsidenten Poroschenko haushoch besiegt. Aber kann ein Komiker ohne politische Erfahrung das von einem Krieg geschwächte Land aus der Krise führen?

Kiew - Mit dem besten Ergebnis bei einer Präsidentenwahl in der Ukraine übernimmt der Komiker Wolodymyr Selenskyj die Macht in dem krisengeschüttelten Land. „Wir werden neue Leute ernennen“, sagte der prowestliche 41-Jährige nach seinem Sieg in Kiew. Der Politneuling kam bei der Abstimmung in der in die EU strebenden Ex-Sowjetrepublik auf 73 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Montag mitteilte. Der Fernsehstar Selenskyj hatte versprochen, die korrupten Machtstrukturen in der Ex-Sowjetrepublik zu zerstören. Er will auch den Krieg in der Ostukraine beenden.

Mehrere Staats- und Regierungschefs gratulierten Selenskyj zu seinem Wahlsieg. Russland äußerte die Hoffnung auf bessere Beziehungen zum Nachbarn. Bundeskanzlerin Angela Merkel lud den künftigen Präsidenten nach Berlin ein. „Die Stabilisierung der Ukraine sowie eine friedliche Konfliktlösung liegen mir ebenso am Herzen wie die Durchführung zentraler Reformen der Justiz, der Dezentralisierung sowie der Korruptionsbekämpfung.“ Das sagte die CDU-Politikerin einer Mitteilung des Bundespresseamtes zufolge. Merkel hatte Selenskyj kurz vor der Wahl nicht empfangen - aber Präsident Petro Poroschenko, der nun mit 24 Prozent der Stimmen abgewählt wurde.

Selenskyj steht für einen prowestlichen Kurs

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der dem neuen Staatschef gratulierte, hatte dagegen beide Kandidaten in Paris getroffen. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz schrieb auf Twitter: „Ich freue mich darauf, die gute Kooperation zwischen Österreich und der Ukraine mit Dir fortzuführen.“ Glückwünsche kamen auch von US-Präsident Donald Trump und von Vertretern der EU und der Nato. Selenskyj will einen möglichen Nato-Betritt der Ukraine künftig nur über eine Volksabstimmung zulassen. Russland sieht dies als Gefahr für seine Sicherheit.

Der Schauspieler, der bisher den Präsidenten in einer Comedy-Serie darstellte, steht wie der scheidende Amtsinhaber Poroschenko für einen prowestlichen Kurs des Landes. Der 53-jährige Oligarch bot dem Wahlsieger in Kiew seine Unterstützung an. „Ich gehe aus dem Amt, aber ich gehe nicht aus der Politik“, sagte Poroschenko nach der Abstimmung am Sonntagabend in Kiew. Er werde weiter für die Ukraine kämpfen.

Vor allem junge Wähler hoffen auf Erneuerungen

Die Wahl Selenskyjs ist in mehrfacher Hinsicht historisch: Mit dem Komiker kommt in dem Land zwischen der EU und Russland erstmals ein Staatsoberhaupt ohne jedwede Regierungserfahrung ins Amt. Er hat zudem alle etablierten Machtpolitiker mit dem besten Ergebnis eines Präsidenten auf die Plätze verwiesen. Und er wird der jüngste Präsident der ukrainischen Geschichte.

Vor allem junge Wähler hoffen auf eine Erneuerung des Landes und mehr Wohlstand. Selenskyj hat angekündigt, etwa in der Justiz bei der Generalstaatsanwaltschaft und im Militär beim Generalstab der Streitkräfte eigene Leute einzusetzen. Namen nannte er zunächst aber nicht. Zu konkreten Personalfragen wolle er sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern.

Offen ist, ob Selenskyj ohne eigene Machtbasis gegen die Strukturen in dem Land ankommen kann. Kritiker werfen ihm vor, ein Populist ohne echtes Programm für die Zukunft des Landes zu sein. Immer wieder Thema ist auch Selenskyjs Nähe zu dem Oligarchen Igor Kolomoiski, der mit seinem TV-Kanal 1+1 Stimmung gegen Poroschenko machte. Bei dem Sender läuft auch die Comedy-Serie.

Die Reaktion aus Russland war zunächst zurückhaltend

Selenskyj will außerdem den Friedensplan für den umkämpften Osten wiederbeleben. Wichtigste Aufgabe sei es, seine Landsleute aus der Gefangenschaft Russlands und der Separatisten in der Ostukraine zu befreien. Seit 2014 kämpfen in den Gebieten Donezk und Luhansk Regierungssoldaten gegen prorussische Separatisten. Rund 13 000 Menschen sind dabei nach UN-Angaben getötet worden.

Die Reaktion aus Russland war zunächst zurückhaltend: Es gebe die Chance auf eine Verbesserung der Zusammenarbeit, schrieb der russische Regierungschef Dmitri Medwedew bei Facebook. „Was dafür nötig ist? Ehrlichkeit. Und notwendig ist auch eine pragmatische und verantwortungsvolle Herangehensweise.“ Mehrere Außenpolitiker in Moskau äußerten die Hoffnung, dass sich Selenskyj als eigenständiger Politiker etablieren könne - und sich nicht von den USA, der Nato und der EU steuern lasse.