Sandra Vogelmann (rechts), Veranstalterin der Pressenacht im Zelt von Sonja Merz, bei der Ziehung der Tomobola-Gewinner mit Moderatorin Anja Maria Schäfer-Oettinger und einem zur Glücksfee ernannten „Mister Wasen“. Foto: Thomas Niedermüller

Lästern hat einen schlechten Ruf – und doch einen sozialen Nutzen. Bei den Promipartys des Volkfestes wird ganz wunderbar gelästert. Unser Kolumnist hat die Ohren aufgesperrt. Besonders gern treffen sich VIPs zu Charity-Events auf dem Wasen – etwa zur Pressenacht im Zelt von Sonja Merz.

Stuttgart - Man mag es nicht für möglich halten, aber es ist so: Selbst Bändelträger sind auch nur Menschen, die gern lästern. Wer einen Sesam-öffne-dich-Armreif aus Plastik oder Stoff am Handgelenk trägt, wird in die Wasen-Logen vorgelassen. Dort geht es nicht ganz so laut und wild zu wie im Mittelschiff des Zeltes, wo Dirndl-Mädels in Turnschuhen auf den Bänken hüpfen. Dafür kann im abgeschirmten Bereich, wo gestöckelt wird und der Alterschnitt deutlich höher ist, umso schöner gelästert und getratscht werden. Mooooment! Wer von uns lästert? Damit eines mal klar ist: Wir lästern nicht, wir stellen nur fest!

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Stellen wir also erstens fest: Im Jubiläumsjahr ist die Lust auf Party noch größer. „Wenn’s so weitergeht, gibt’s einen neuen Besucher- und Bierumsatzrekord“, freut sich Hofbräu-Chef Martin Alber. Am ersten Wochenende seien die Fässer beinahe ausgegangen. Dass der Wasen auf dem Trockenen sitzt, hat er in seiner Dienstzeit bisher nur einmal erlebt. „Wir haben damals schnell Fässer aus umliegenden Getränkemärkten besorgt“, erzählt er, „die waren kleiner und mussten ständig ausgetauscht werden.“

Und zweitens stellen wir fest: Der Trend zu Charity-Events nimmt in den Zelten weiter zu. Weil die VIPs dann ein besseres Gewissen haben, wenn sie sich einen auf die Lampe gießen?

Tombola-Erlös geht an die Pressestiftung

Rainer Lang, der Vorsitzende der Pressestiftung Baden-Württemberg (dahinter stehen die Landespressekonferenz, der Verlegerverband und die Journalistengewerkschaft), ist froh, dass sich auf dem Wasen eine neue, wenn auch nur sachte sprudelnde Quelle für seinen sozialen Etat auftut. Der Erlös aus dem Landespresseball ist aufgrund höherer Programmkosten und höherer Gema-Gebühren rückläufig. Bei der von Sandra Vogelmann bestens organisierten Pressenacht im Festzelt von Sonja Merz sind bei 180 Gästen (dabei: Oldtimer-Restaurator Klaus Kienle, Rallye-Veranstalter Marc Wenger, Auktionator Ferdinand Eppli, Künstlerin Holde Klis, Antiquitätenhändler Frank Zimmermann, Charakterköpfe-Fotograf Wilhelm Betz, Designer Tobias Siewert) etwa 3000 Euro über die Tombola zusammengekommen.

„Damit fördern wir die Medienaufklärung in den Schulen“, sagt Lang. Das Eintrittsgeld für die Pressenacht mit der Ente von Sternekoch Franz Feckl fließt aber, was etliche Käufer nicht wissen, gar nicht in den wohltätigen Topf. Allein der Verkauf der Lose dient der guten Sache.

So ist das halt mit der Relativitätstheorie: Ein Erlös von 3000 Euro ist nicht schlecht – aber im Vergleich zu den Preisen eines Schönheitschirurgen relativ wenig. Gleich zwei Beauty-Docs – nämlich Oliver Gekeler und Christian Fitz – feiern an diesem Medienabend mit etlichen Kundinnen bei Sonja Merz. Bitte, liebe Leserinnen und Leser, lästern Sie jetzt nicht, dass die Damen weniger Geld in aufgespritzten Lippen und vergrößerte Busen hätten stecken sollen, sondern lieber gleich spenden. Diese Späße hörte man bereits am Abend im Zelt.

Das Ranking des Lästerns in den Wasen-Logen

Lästern verbindet und stärkt den Selbstwert. Wer lästert, signalisiert dem anderen, dass er ihm vertraut. Sonst würde er derart sensible Informationen nicht mit ihm teilen. Psychologen sagen, das Lästern sei sogar lebensnotwendig. Lästern hilft, möglichst viel über andere zu erfahren und vor anderen zu warnen. Oft ist Lästern aber auch nur ein Zeichen von Neid. Im Ranking des Lästerns stehen in den Volksfest-Logen folgende Themen weit oben: Aussehen und Kleidung der anderen. Wer hat was machen lassen? Beim wem ist der Ausschnitt zu tief? Wer geht fremd? Warum ist der berufliche Konkurrent so schlecht? Ganz wichtig: Wen sich der, über den man eben gelästert hat, zu einem an den Tisch hockt, strahlt man ihn an und lästert mit ihm über andere.

Party-Veranstalterin Sandra Vogelmann weiß aus eigener Erfahrungen, wie es ist, wenn andere über einen tuscheln. Weil sie bei verschiedenen Anlässen in wechselnder Begleitung von Männern erschien – zu dieser Zeit hatten sie keinen festen Partner – habe man über sie gelästert. „Dann kam ich mit einer Freundin“, erzählt sie, „und es hieß, ich sei lesbisch.“ Vom Lästern zur Lüge ist es oft nicht weit.

Lästern ist oft nur das Resultat von Unkenntnis. Pressenacht-Besucherin Kathrin Schulte weiß dies zu gut. In Berlin, wo die Designerin lange Jahre gelebt hat, wird über Schwaben hergezogen. Seit kurzem wohnt sie in Stuttgart bei ihrem neuen Freund Christian Witt, dem Unternehmenssprecher von Breuninger. „Stuttgart ist eine tolle Stadt,“ schwärmt sie, „der Ruf Stuttgarts in Berlin ist völlig zu Unrecht schlecht.“ Lästern ist ein Schmierstoff zwischen Menschen. Lästern ist lebensnotwendig. Aber bei allem Spaß am Lästern sollten wir die Wahrheit nicht aus den Augen verlieren. Sonst lästern andere über einen. Aber das tun sie auch so. Wenn keiner über dich lästert, bist du bedeutungslos.