Hollywood-Star Patrick Dempsey verlässt beim Porsche-Event einen Show-Container, der im Dorotheen-Quartier aufgebaut ist. Foto: Andreas Rosar / Fotoagentur-Stuttgart

Für eine Nacht wird Stuttgart zur Hauptstadt des Glanzes. Während beim 25. Geburtstag der Musical-Vampire Bonnie Tyler ergreifend singt, feiert Porsche mit Mega-Stars wie Patrick Dempsey im Kessel heftig. Eine Kolumne zu den großen Träumen von Stuttgart.

Drei Buchstaben reichen dem Regisseur Cornelius Baltus, einem Vertrauten von Roman Polanski, um den Erfolg von „Tanz der Vampire“ zu erklären. Es sind die Buchstaben S und E und X. Ach, wie Triebe in dieser Show Freudentänze vollführen, wie leidenschaftlich da gebissen und übereinander hergefallen wird! „Der Hals ist eine erogene Zone“, sagt der Holländer Baltus. „Probieren Sie es daheim aus!“

Doch wie so oft reicht Sex allein nicht, damit was gelingt im Leben. Die Show der steilen Zähne, die im voll besetzten Palladium den 25. Geburtstag feiert, bietet noch viel mehr. Die Inszenierung erreicht eine Perfektion, die allen Sinnen Hochgenuss beschert. „Tanz der Vampire“ ist ein Meisterwerk, dem es wohl ergeht wie einem Wein: Je älter, desto besser! Frisch wirkt die Show, weil die neue Musicalgeneration nicht nur Theaterblut verspritzt, sondern Herzblut reinsteckt.

„Die erste Produktion ist selten die beste“

Als Baltus 1997 mit Polanski in Wien die Showfassung des Hollywoodfilms von 1967 auf die Musicalbühne brachte, dauerte das Stück drei Stunden und 18 Minuten. Immer mehr ist gestrafft, verbessert, neu arrangiert worden. „Die erste Produktion ist selten die beste“, sagt der Regisseur. In Stuttgart ist bis August die vierte Produktion zu sehen.

Roman Polanski kann nicht zum Geburtstag kommen. Noch immer schwebt ein Haftbefehl über ihm. Gerade habe der 89-Jährige in der Schweiz eine Komödie abgedreht, berichtet Baltus, und freue sich über den unsterblichen Erfolg seines Musicals. Weltweit verbuchen die Vampire bisher 10 000 Vorstellungen, allein in Stuttgart sind es 2500.

Im Sommer ist das Palladium-Theater zuletzt nicht mehr so voll gewesen – da lockte eher der Biergarten. Doch kaum hat die Stage Entertainment die Ticketpreise für eine Sonderaktion zum 25. Geburtstag um 40 Prozent gesenkt, „haben wir in Kürze etwa 40 000 Karten verkauft“, berichtet Uschi Neuss, die aus Hamburg angereiste Chefin des Musicalmarktführers. „So sind die Schwaben“, sagt OB-Gattin Gudrun Nopper, die neben ihr sitzt, „wenn’s billiger wird, schlagen sie zu.“

Wann kommt die „Eiskönigin“ nach Stuttgart?

Was aber ist, wenn im Winter angesichts der Energiekrise das Geld knapp und die Rabattaktion beendet ist? Uschi Neuss ist zuversichtlich. „Viele wollen sich etwas Besonderes leisten“, sagt sie, „das braucht man gerade in harter Zeit.“ Wann Disneys „Eiskönigin“ nach Stuttgart kommt? „Wenn die Show in Hamburg mit dem Spielen fertig ist“, lautet ihre Antwort. Dies könnte 2024 sein – nach der zweiten Laufzeit von „Tarzan“.

Die Stage nutzt den 25. Geburtstag zur PR-Offensive. Sprecher Stephan Jaekel gestattet dem Publikum ausdrücklich, die Zugabe zu filmen, was sonst nicht erlaubt ist. Auf dass der Auftritt von Bonnie Tyler, 71, mit Felippo Strocchi und dem Ensemble die sozialen Netzwerke erobert! „Total Eclipse“ erklingt ergreifend. An einem Abend im Zeichen der Gänsehaut gibt’s einen weiteren Höhepunkt. „Botox steht der Bonnie gut“, ist zu hören. So voll war die Bühne noch nie, weil sich die Zweitbesetzungen einreihen. Gleich drei Krolocks und drei Sarahs spielen nebeneinander mit Dreifach-Biss die Szene der Szenen. Im Publikum: Ur-Krolock Kevin Tarte sowie Michael Reed, der Musical Supervisor, und Choreograf Dennis Callahan, die 1997 in Wien die Welturaufführung prägten und die Musicalträume wahr machen.

Die Stadt staunt – und Hannes Rockenbauch kritisiert

Ums Träumen geht’s am selben Abend auch im Kessel. Mit hoher Stardichte eröffnet Porsche – Slogan: „Driven by Dreams“ – seinen „Brandstore“ im Dorotheen-Quartier. Patrick Dempsey, der „McDreamy“ aus „Grey’s Anatomy“, trägt Blond – für einen Film musste er die Haare färben. 80 Gäste mit Markennähe (dabei: Schauspieler Omar Sy, DFB-Direktor Oliver Bierhoff, die Sportler Angelique Kerber, Sami Khedira, Ferdi Porsche aus der berühmtem Familie, Model Sarah Nuru, die Moderatoren Steven Gätjen, Klaas Heufer-Umlauf) treffen sich erst im Emilu-Hotel. Zu Fuß wär’s nicht weit. Doch der Taycan-Shuttle steht bereit zur E-Performance. In Limousinen geht’s über die Planie zum Feiern. Die Stadt staunt! SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch kommt zufällig vorbei und findet „die von den Porsches zugeparkte Straße in harter Zeit krass“. Seine Feststellung: „Die radikalste Parallelgesellschaft sind die Vermögenden im Land.“

Sind die Menschen wenigstens beim Träumen gleich? „In Stuttgart träumt man groß“, lautet das Fazit der Porsche-Party von Künstler Tim Bengel. Solange wir noch träumen können, ist noch nicht alles verloren.