Werden schmerzlich vermisst: Ivan Rebrov und „Kalinka“ Foto: dpa

Es hat seine Vorzüge, wenn Deutschland verliert, findet unser Kolumnist. Kein Gekreische, kein Gehupe, keine Böller, keine zerdepperten Flaschen. Schland unter. Ob es so ruhig bleibt? Ein Blick in die Historie zeigt: Gegen Schweden können die Reize schwäbischer Frauen entscheidend sein.

Stuttgart - Man hatte sich aufs Schlimmste vorbereitet. Die Nacht auf Montag würde kurz werden. Die Erfahrung hatte gelehrt: Nach WM-Spielen der deutschen Mannschaft gibt es immer Kasper, die morgens um 3 Uhr noch hupend durch Stuttgarts Straßen röhren oder „Schland“ gröhlend heimwärts wanken und ihre Flaschen auf den Boden trümmern. Stattdessen herrschte schon am frühen Sonntagabend himmlische Ruhe. Schland unter. Eine Niederlage kann so herrlich ernüchternd sein.Überhaupt wirken die Fans ähnlich müde wie ihre Mannschaft. Flaggen sieht man kaum, weder an Balkonen noch an Autos. Stuttgart hat keine Fahne mehr.

Der WM-Song? natürlich „Moskau“ von Dschingis Khan

Stimmt schon. Besser als vor vier Jahren in Brasilien kann es nicht werden. So kickt das Team, so denkt der Zuschauer. Zudem kosten die Panini-Tütchen jetzt 90 statt 60 Cent. Beutelschneiderei. Für Schwaben durchaus ein Grund für schlechte Laune. Auf jeden Fall fehlt es am aufmunternden Liedgut. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass es noch keinen Song gibt, den alle trällern? Vor vier Jahren sang ganz Deutschland : „Auf uns“ von Andreas Bourani. Die ARD setzt zwar auf „Zusammen“ von den Fantastischen Vier und Clueso, das verhallt aber bisher. Schade, dass Ivan Rebroff nicht mehr lebt, „Kalinka“ hätte der Hit werden können. „Moskau“ von Dschinghis Khan hat Potenzial. Und wo ist Helene Fischer? In Sibirien geboren, wäre sie die optimale Interpretin. Sie muss nur ein Lied recyclen, als Hommage an Joachim Löw und seine Mannen: „Ratlos durch die Nacht!“

Quasselstrippen verleiden die Lust aufs Public Viewing

Eigentlich ist der Schwabe am liebsten mit sich allein. Wer ihn gesellig erleben will, muss in den Besen gehen. Oder zum Public Viewing. Nur dort setzt er sich zu Fremden, gezwungenermaßen, es hat halt nicht so viel Platz. Wobei der Schreiber dieser Zeilen bekennt, er meidet das Rudelgucken, seit er 2012 hinter einer Klatschbase zu Sitzen kam. Am Stadtstrand war das, Halbfinale gegen Italien. Der junge Mann quasselte und quasselte. 90 Minuten lang. Man erfuhr, er rasiert seine Brusthaare, die Gläser spült er von Hand, sein Rad hat Scheibenbremsen, seine Katze Würmer. Als er sagte, seine Freundin liebe es, wenn er sie unter den Achseln küsse, hätte selbst Gandhi den Liegestuhl auf seinem Kopf zerschlagen. Seitdem verbringt der Autor seine Fußballabende mit Bélá Rethy. Ein Traumpaar. Wir haben uns viel zu erzählen.

Schwabenmädel laugten die Nationalmannschaft aus

Nun also Schweden. 1958 spielte schon einmal Deutschland in einem wichtigen WM-Spiel gegen Schweden. Halbfinale in Göteborg. Bundestrainer Sepp Herberger hatte im Quartier die Zimmermädchen austauschen lassen, nur Kellner durften Fritz Walter und Co. bedienen. Doch Herberger hatte nicht mit den Schwäbinnen gerechnet. Eine Volkstanzgruppe näherte sich dem Hotel. Was dann geschah, berichtet das „Sportmagazin“: „Den Abschluss der frohen Stunde bildete eine Polonaise, Spieler und Schwabenmädel zogen um den auf der Wiese aufgestellten Mittsommerbaum!“ Das Ende vom Lied: Deutschland verlor. Jogi, aufgepasst! Vom Schwabenmädel droht högschte Gefahr. In der Heimat bietet sich derweil eine Alternative an zum Spiel. Samstag, 20 Uhr: ab zu Ikea. Wir sehen uns!