Opernstar Helene Schneiderman und Pianist Dirk Schieborn bei „Kaufmann & Friends“ im Theater der Altstadt. Foto: Klaus Schnaidt

Politik und Argumente reichen kaum noch aus, um bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein. Stefan Kaufmann (CDU) geht mit Eis für alle beim CSD und mit Kultur voran. Was hecken seine politischen Gegner aus?

Stuttgart - Die Hausherrin kommt mit Erich Kästner, um am hellen Tag in ihrem abgedunkelten Theater der Altstadt im Westen ihrem Publikum etwas einzutrichtern.

„Denkt an das fünfte Gebot“, zitiert Intendantin Susanne Heydenreich inbrünstig den großen deutschen Dichter, „schlagt eure Zeit nicht tot!“

Die Chefin dieser Bühne, eine Theaterbesessene und wunderbare Schauspielerin, tritt vor rotem Vorhang für einen Schwarzen auf. Bei der Benefiz-Matinee „Kaufmann & Friends“ ist sie sehr politisch mit Werken eines Dichters, der niemals CDU gewählt hätte – mit Texten von Bertold Brecht. Vorneweg hat sie Kästner zitiert. Ist dessen fünftes Gebot erfüllt, wenn man 20.000  Eistüten neu beklebt? Oder hätte man diese Zeit sinnvoller nützen können? Der CDU-MdB, der sich im Glanz der Kulturfreunde sonnt, hat dies mit 20 Helfern vor dem Stuttgarter CSD getan. Jedes Wassereis, das er an Besucher der Parade verschenkte, bekam eine neue Aufschrift: „Cool. Schwul. Stefan Kaufmann für alle“

20 000 Eistüten beim CSD verteilt

Kaufmann & Friends: Außer Susanne Heydenreich treten der Pianist George Bailey, die Kammersängerin Helene Schneiderman und Travestie-Lady Frl. Wommy Wonder
auf. Eintritt wird nicht verlangt. Aber Spenden sind erwünscht, die an die Stiftung des Knabenchors collegium iuvenum Stuttgart (CIS) gehen.

Stuttgarts Kulturszene ist reichlich vertreten, etwa Renitenz-Theater-Intendant Sebastian Weingarten, die Galeristin Karin Abt-Straubinger, Uta Kutter, Direktorin der Akademie für gesprochenes Wort, Kulturmanagerin Brigitte Stephan, die Friedrichsbau-Geschäftsführer Gabriele Frenzel und Timo Steinhauer, CIS-Leiter Michael Culo. Etliche sind da, die niemals CDU wählen, aber den CDU-Kandidaten Kaufmann gut finden.

Dies dürfte seine politische Konkurrenz etwas nervös machen. Was könnten sie tun, um dessen Beispiel zu folgen?

Die 20.000 „Cool und schwul“-Eistüten sowie die Kulturmatinee sind, na klar, nur der Anfang im kreativen Wahlkampf vorm 24. September. Bestimmt! In den Parteizentralen wird eifrig gehirnt.

Die SPD-Kandidatin Ute Vogt überlegt, was sie cool macht. Die Genossin fährt Motorrad, mag Waldheime und hat ihren Mann beim Gassigehen mit dem Hund kennengelernt. Wenn sich daraus nichts machen lässt! Frau Vogt sollte Leckerli-Tüten neu bekleben lassen – als Wahlgeschenke für Hundesbesitzer. Aufschrift: „Die Ute Vogt tut was, die will nicht nur spielen!“ oder so.

Und was wird Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir verschenken, um in der Wählergunst zu steigen? Wir ahnen es. Hanf traut er sich noch nicht – bei ihm werden’s Tofu und grüne Bohnen!

Premiere an der Met in New York

Im Theater der Altstadt ist Stefan Kaufmann schlau genug, keine Wahlrede zu halten. Er plaudert lieber. So erzählt der CDU-Kreischef, dass die Kammersängerin Schneiderman bei seiner kirchlichen Segnung mit Rolf Pfander singen wollte. Doch sie musste kurzfristig absagen – die Metropolitan Opera in New York hatte sie zum Vorsingen eingeladen.

Der Opernstar bekam das traumhafte Engagement – und Kaufmann flog mit dem Partner zur Premiere nach New York. Bailey, der 41 Jahre lang Korrepetitor des Stuttgarter Balletts war, erzählt herzereigreifend, wie er Choreologin Georgette Tsinguirides geholfen hat, ihr Büro beim Ballett auszuräumen – nach fast 72 Jahren Arbeit für den Tanz. Die Tränen seien geflossen, was jeder verstehen kann.

Vom leckeren Eis („Cool. Schwul“) ist nichts übrig geblieben. Immer nur vor Wahlen verteilt Kaufmann es und lädt zur Benefizmatinee ein. Deren Benefiz geht vor allem an ihn selbst – am Wahltag.