Wechsel am Korrespondentenplatz der „Süddeutschen“ in Stuttgart: Stefan Mayr (links) folgt auf den Schwabenfan Max Hägler. Foto: Lichtgut/Piechowski

Die größte Überraschung war für ihn, „wie schön Stuttgart ist“. Der Bayer Max Hägler, der scheidende Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, ist zum Schwabenfan geworden. Zum Stabwechsel hat sein Blatt viele Promis und eine rumpelnde Zacke im Foyer der Rampe versammelt.

Stuttgart - Büro München-West. So heißt bei der geschätzten „Süddeutschen Zeitung“ redaktionsintern der komischerweise nicht so begehrte Außenposten in Stuttgart. Bayern kommen halt nur ungern aus Bayern raus.

Dass es sich sogar lohnt, ein Stuttgarter für lediglich fünf Jahre zu werden, hat der „SZ“-Wirtschaftsjournalist Max Hägler in einem Feldversuch von 2012 bis 2017 herausgefunden. Als er zu den Schwaben zog, musste er sich daheim rechtfertigen. Das Image von Stuttgart sei allenfalls mit Hannover vergleichbar gewesen, erinnert er sich. Jetzt weiß es Max besser. Wissensdurstigen Landsleuten, etwa dem „SZ“-Chefredakteur Wolfgang Krach, hat er vor seiner Rückkehr in die Münchner Zentrale einen seiner Lieblingsorte in Stuttgart vorgeführt. Das Theater Rampe unweit des Marienplatzes ist die einzige Spielstätte der Welt, in die jeden Abend eine Zahnradbahn hineinfährt.

Es ist ein Ort, „an dem Erfindertum und Kultur zusammenkommen“, wie in der Einladung steht. Im Theater mit Gleisanschluss ist an diesem Abend viel Prominenz zu sehen – wer will schon den Anschluss an ein Leitmedium verlieren? Schienen ziehen sich durchs Foyer. Bestimmt ist die Südschiene darunter, die hier also nach Hause führt.

Wolfgang Grupp und die „Landeier“

Vom Trigema-Chef Wolfgang Grupp über dm-Chef Götz Werner bis zur Ministerin Theresia Bauer und EnBW-Chef Frank Mastiaux , vom Tübinger OB Boris Palmer über den früheren Daimler-Chef Edzard Reuter bis zu S-21-Projektleiter Manfred Leger – Schlagzeilenmacher sprechen auch über „Landei“-Themen. Grupp berichtet vom Zerwürfnis in seiner Alb-Stadt Burladingen, wo der Bürgermeister seine Gemeinderäte als „Landeier“ beschimpft hat. Gern würde er den Streit schlichten, müsse aber erst das Disziplinarverfahren gegen den Schultes abwarten. OB Fritz Kuhn staunt über die Provinzposse. Weil Feinstaubalarm herrscht, ist er mit dem Elektro-Smart in die Rampe gekommen, und der Spitzenkandidat Cem Özdemir himmelt die Zacke an, als die kurz nach 21 Uhr an ihren Schlafplatz rollt: „Da geht einem Grünen das Herz auf!“

Das gelbe Berggefährt ist die einzige Zahnradbahn in Deutschland im innerstädtischen Liniendienst – mit bis zu 17,8 Prozent Steigung. Einmaligkeiten, so hat Hägler seinem Nachfolger Stefan Mayr anvertraut, gibt es in Stuttgart viele. Doch was machen die Leute daraus? Hägler vermisst Selbstbewusstsein in der grünen Metropole.

Beim „Hate-Slam“ gewonnen

Dass Schwaben ganz besonders ticken, ging Hägler so richtig auf, als er mit dem Kollegen Roman Deininger in seinem ersten Stuttgart-Jahr beim „Hate Slam“ wie ein Comedian bejubelt wurde. War das eine Wohltat für einen Zeitungsmann! Junge Menschen standen eine Stunde lang draußen in der Schlange, um einer Print-Veranstaltung beizuwohnen. Beim „Hate-Slam“ lesen Journalisten böse Leserpost vor. Das Publikum ermittelt die Sieger. Hägler hat gewonnen mit Briefen wie: „Sie Wurm – bei Ihnen werde ich hasskrank!“ Seine Leser prangerten „Blümchen-Journalismus“ an und einen „von keinerlei Sachkenntnis geprägten Hochmut“.

In den fünf Jahren haben wir dem Max jeden Hochmut erfolgreich ausgetrieben! So sehr, dass er widersprach, als die Rede auf seine „Abschiedsfeier in der Rampe“ kam. Nein, nein, nein, das sei keine Feier, erklärte er, seine Zeitung „begehe“ vielmehr seinen „Ausstand“. Alles andere klinge zu „pompös“. Feiern und protzen, dachten wir bisher, ist eine Münchner Spezialität, während Schwaben eher schaffig ihre Ruhe suchen. In Wahrheit ist es also genau anders herum.

Schwaben müssen zusammenhalten

Häglers Nachfolger Mayr freut sich auf den neuen Job. Die Region Stuttgart sei mit den Bayern auf der Südschiene „Taktgeber im Land – politisch wie wirtschaftlich“. Er sieht sich als Glücksbringer. Als Mayr vor zehn Jahren in Augsburg seinen Dienst bei der „SZ“ antrat, war der heutige Bundesligist in Liga drei. Jetzt darf er den VfB nach oben bringen. Schwaben müssen zusammenhalten! Augsburg ist Hauptstadt des Bezirks Schwaben. Bestimmt kommt er auch noch dahinter: Der mangelnde Stolz, den Hägler als typisch für das schöne Stuttgart hält, ist das Gegenteil von Schwäche. Unser Understatement ist wahre Größe. Max weiß es: Mir send obacha cool. Aber Münchner, die Stuttgart lieben, auch.