Die Symbole der drei Religionen Islam, Judentum und Christentum (Koran mit Koranständer (links nach rechts), Kippa, Chanukka-Leuchter, Kaaba, Kreuz und Torarolle. Sie haben in der Schule nichts verloren, meint unser Kolumnist. Foto: dpa

Striktes Einhalten des Neutralitätsgebots hilft gegen Antisemitismus an Schulen, meint unser Kolumnist Götz Aly.

Stuttgart - Im vergangenen Sommer ergab die Befragung von Lehrern an 21 Berliner Schulen, dass „Antisemitismus und Salafismus von Schülern mit türkischem und arabischem Hintergrund zum Schulalltag gehören“. Jetzt machte die „Berliner Zeitung“ publik, wie eine Grundschülerin in Tempelhof von muslimisch erzogenen Mitschülern gemobbt und bedroht wurde, weil sie ungläubig sei; zudem wurde sie als „Jude“ beschimpft. Der Schulleiter bagatellisierte den Angriff als „Streitigkeit“. Die Berliner Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) findet das gewiss nicht schön, aber besonders entschieden reagiert sie auf solche – in Berlin häufigen – Vorfälle nicht. Sehr viel wichtiger nimmt sie Broschüren über die Vielzahl sexueller Varianten zum Gebrauch für Kitakinder („Murat spielt Prinzessin“ und so weiter). Ich wünsche mir, die Berliner SPD würde sich auf dem wichtigen Feld der öffentlichen Erziehung und Schulbildung besser präsentieren.

Allerdings verdient Senatorin Scheeres in einer anderen Frage Anerkennung. Sie verteidigt das Berliner Neutralitätsgesetz, das Lehrern und Lehrerinnen verbietet, in der Schule sichtbare religiöse Symbole wie Kippa, Kreuz oder Kopftuch zu tragen. Dieses Gesetz muss beibehalten werden. Wir haben mittlerweile lernen müssen, dass religiös begründete Spannungen in einer Weise zugenommen haben, die wir uns vor 30 Jahren nicht entfernt vorstellen konnten. Auch deshalb wurde das Berliner Neutralitätsgesetz 2005 erforderlich. Religion muss Privatsache bleiben. Wer andere wegen deren Religion oder Atheismus belästigt, diskriminiert oder verfolgt, macht sich strafbar. Deshalb – zum Schutz von Religionsfreiheit und allgemeiner Toleranz – muss der Staat strikte Neutralität wahren.

Aber ausgerechnet der für diese Neutralität in besonderer Weise zuständige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will das Neutralitätsgesetz abschaffen und Kopftuch, Kreuz, Kippa und Ähnliches erlauben. Er findet, „dass wir es in der multireligiösen Stadt Berlin aushalten sollten, wenn an den Schulen junge Frauen mit Kopftuch unterrichten“. (Nebenbei: Warum nur junge?) Behrendt behauptet, das Gesetz sei verfassungswidrig.

Das wollen wir in Ruhe abwarten. Denn anders als einige südwestdeutsche Kopftuchverbote untersagt das Berliner Gesetz sämtliche religiösen Symbole – auch christliche! – für die Beamten und Angestellten des Landes in Schulen, Standesämtern, Gerichten und anderen Institutionen. Im Übrigen hält das Bundesverfassungsgericht ein Verbot dann für gerechtfertigt, wenn der Schulfrieden wegen religiöser Symbole, man wird hinzufügen dürfen: wegen religiös motivierter Angriffe, „konkret“ gefährdet ist. Genau das ist mittlerweile in zahlreichen Berliner Schulen bereits der Fall.

Neben den christlichen Kirchen springt die religionsferne Berliner Linke den Grünen bei. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) will das Gesetz ebenfalls abschaffen, und zwar „ganz entspannt“. Mag sein, dass sich Die Linke mittlerweile Opium fürs Volk und Pläsier für ihre Repräsentanten wünscht. Aber die für Millionen Menschen bedrohlichen, religiös aufgeheizten Konflikte werden die Welt und Deutschland noch auf Jahrzehnte beschäftigen. Davor verschließen Linke und Grüne sträflich die Augen. Das religiös bedrohte achtjährige Tempelhofer Mädchen mahnt zu prinzipienfester Strenge.