Bild aus jenen Tagen, als das Weißbier in Bayern noch nicht aus Schnapsgläsern getrunken wurde Foto: dpa

Deutschland geht es den Umständen entsprechend gut. Aber was ist los mit Bayern? StN-Außenreporter Tom Hörner war in München – und hat die Stadt kaum wiederkannt.

München/Stuttgart - Ich vermag weder zu sagen, wie es um den Zustand der Welt steht, noch, ob das Abendland zu retten ist. Aber Bayern, liebe Freunde, haben wir verloren. Noch weiß ich nicht, an wen. Aber dass der gute alte weiß-blaue Planet, auf dem jeder Kraftakt mit fünf Maß Weißbier begossen wurde, fremden Kräften anheimgefallen sein muss, das ist so sicher wie das Amen nach einer Seehofer-Ansprache.

Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, reichte eine Stippvisite in München.Vor einen Konzert ging’s zum Italiener. Nettes Lokal: kleine Tischchen, große Pizzen. Urig, wie wir Bayerntouristen sagen. Ich bestellte eine Pizza und ein Weißbier. Ich sagte Weißbier, weil ich weiß, dass man in Bayern beim Stichwort Weizen meist zu hören bekommt: „Moinen’s a Weißbier?“ Auch beim Italiener.

Herrschaftszeiten! Bin i jetzad Gulliver auf Liliput?

Die Bedienung nickte, war nach einer Minute wieder da, aber was sie mir vorsetzte, verschlug mir die Sprache: Stellte sie mir doch eine 0,33-Liter-Flasche Paulaner hin und ein passendes Winzglas. Jo Herrschaftszeiten, fuhr es mir durch den Schädel, bin i jetzad Gulliver auf Liliput? Nullkommadreidrei Liter! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Um sich da einen Rausch zuzulegen, muss die Bedienung einen Marathon laufen.

Ich hätte nicht gedacht, dass in Bayern das Abfüllen von Weißbier in 0,33-Liter-Flaschen überhaupt erlaubt ist. Und wenn, dann höchstens für den Export in muslimische Staaten. Auch habe ich keinen Dunst, wie da einer auf den Trichter kommen kann, dass das niemanden aufstößt und die Einheimischen das schlucken. Hubraumverkleinerung ist okay, wenn man Autos das Saufen abgewöhnen will. Aber Downsizing beim Weißbier?! Das setzt dem Fass die Schaumkrone auf.

Gut, mir konnte das egal sein. Ich fuhr in der Nacht noch zurück in meine schwäbische Heimat, wo im Kühlschrank ausgewachsene Weizenbierflaschen auf mich warteten. Aber ich frage Sie: Wie soll die Bevölkerung eines Freistaats mit einer Flüchtlingsschwemme klarkommen, wenn sie jetzt in den Wirtshäusern Weißbier in Schnapsgläsern ausschenken?