Selfie mit Mister President Foto: dpa

Smartphone vor die Rübe gehalten, Auslöser gedrückt, fertig ist das Selfie. Die Selbstdarstellerei, warnt StN-Kolumnist Tom Hörner, hat auch ihre Tücken – und ist im Grunde ein alter Hut.

Stuttgart/Washington - Die Menschheit wird immer selbstsüchtiger. Nicht mal Porträtfotografen sollen noch einen Cent an ihr verdienen. Immer öfter legen Menschen selbst Hand an. Selfies heißen die Schnappschüsse, bei denen sich einer sein fotografierendes Mobiltelefon vor die Fresse gehalten und abgedrückt hat.

Selbst die Schönen und die Wichtigen schrecken vor schamlosen Selbstbelichtungsorgien nicht zurück und stellen Fotos ins Netz, bei denen jeder ehrwürdige Paparazzi ein schlechtes Gewissen bekäme. Fußballer drücken bei der Siegesfeier unter der Dusche auf den Auslöser. Angeschwitzte Hollywood-Stars lichten sich nach der Oscar-Verleihung ab – und kassieren Millionen vom freundlichen Smartphone-Konzern.

Selbst bei Harald Schmidts letzter Late-Night-Show auf dem Bezahlkanal Sky gab es hinterher noch was zu lachen und zu belichten – und das, obwohl der Katholik Schmidt noch während der Sendung gestand: „Ich dachte Selfie ist das, was meine Kirche bisher immer verboten hat – wegen Rückenmarkbeschädigung.“

Am Ende grinste auch er ins Telefon, und Schauspieler Jürgen Vogel postete das Bild in die Welt hinaus, auf dem neben Vogel und Schmidt noch fünf weitere Prominasen zu sehen sind – also mehr Leute, als bei Schmidt in den vergangenen Jahren vor der Glotze saßen.

Manchmal kann der Selbstschuss auch nach hinten losgehen, wie US-Präsident Barack Obama diese Woche im Weißen Haus erfahren musste. Als sich ein Star des Basketball-Teams Red Sox mit ihm ablichtet, grinste Mister Präsident: Cheese! Dabei war der Hintergrund fies. Angeblich soll das Foto für eine Werbekampagne des Smartphone-Herstellers ausgeschlachtet werden.

All den jungen Menschen, die glauben, die Selfie-Manie sei eine Erfindung der Neuzeit, rufen wir zu: Schon die alten Meister haben Selfies gemacht! Dürer, da Vinci, Rubens, van Gogh, Gauguin, Renoir – alle hatten sie einen Hang zur Selbstdarstellung. Sogar in Öl.