Für eine Freundschaft kann ein Kind zur Herausforderung werden. Foto: DmyTo/Adobe Stock

Eltern und Nicht-Eltern bewegen sich in unterschiedlichen Universen, sagt unsere Kolumnistin Lisa Welzhofer. Wie es trotzdem gelingen kann, die Freudschaft zu erhalten.

Stuttgart - Kürzlich erzählte mir eine Freundin, die keine Kinder hat, von ihrem stressigen Wochenende. Es ging um einen Friseurtermin Samstagmorgen um 8 Uhr. Darum, dass sie nachmittags noch einkaufen musste - und am Abend auch noch zu einer Geburtstagsparty eingeladen war. „Gott sei Dank konnte ich mich dann am Sonntag den ganzen Tag auf der Couch erholen“, sagte sie.

„Deinen Stress möchte ich haben!“

Ich dachte währenddessen an meinen Wochenendwahnsinn mit zwei Kleinkindern. An Weckrufe morgens um halb sechs, Akkordfreizeitarbeit von Einkaufen, Kinderbeilaunehalten, Spielplatzbesuchen, Essenmachen, Zeitungsleseversuchen bis Planschbeckenaufbauen - und dass ich an Samstagabenden meist spätestens um 21.30 Uhr im Tiefschlaf auf der Couch liege. Und dann dachte ich: „Deinen Stress möchte ich haben!“

Ich erzähle diese Episode, weil sie für mich viel mit der Frage zu tun hat, ob und wie Menschen mit und ohne Kinder befreundet bleiben können. Denn kaum etwas trennt die Lebenswelten von Freunden, die jahrelang auf einer Wellenlänge lagen, so sehr, wie die Tatsache, dass jemand Mutter oder Vater wird - oder eben nicht. Nicht selten läutet die Geburt des Nachwuchses deshalb leider auch das Ende mancher Freundschaft ein.

Leben in unterschiedlichen Zeitzonen

Denn vor allem, wenn die Kinder noch klein sind, ist es ein bisschen so, als würde man sich in unterschiedlichen Zeitzonen bewegen. Beispiel Telefonieren: Haben die kinderlosen Freunde auf dem Rückweg von der Arbeit Zeit, zum Smartphone zu greifen, bin ich gerade damit beschäftigt, quengelige Kinder zu versorgen und ins Bett zu bugsieren. Wäre ich dann gesprächsbereit, wollen die anderen in Ruhe zu Hause ankommen und etwas essen. Und später sind dann oft beide Seiten zu kaputt.

Ähnlich läuft das mit den Treffen ab: Wenn ich dank Teilzeitarbeit auch mal unter der Woche tagsüber für einen gemeinsamen Kaffee bereit stünde, sind die anderen bei der Arbeit. Mich abends zu verabreden geht natürlich schon, aber – solange die Kinder klein sind – eben nicht mehr so oft und vor allem nicht mehr so spontan wie früher.

Um sich zwischen den unterschiedlichen Zeitzonen nicht zu verlieren, sind deshalb viele Kompromisse notwendig, wobei zugegebenermaßen meine kinderlosen Freunde mehr Kompromisse eingehen müssen als ich. Sie müssen zum Beispiel hinnehmen, dass Treffen meist müdigkeitsbedingt spätestens um 23 Uhr enden, dass ich am Wochenende nur im Viererpack und mit einem sehr hohen Geräuschpegel zu haben bin, dass das Essen bei uns immer sehr salzarm ist und dass, wenn sie mich am Abend besuchen, ich zwischendurch mehrmals verschwinde, um Kinder ins Bett oder wieder zum Einschlafen zu bringen.

Stress ist subjektiv

Vielleicht noch wichtiger als die Suche nach Überschneidungen in den unterschiedlichen Lebensrhythmen ist allerdings das Verständnis füreinander. Denn es sind nicht nur verschiedene Zeitzonen, sondern schon fast kleine Paralleluniversen, in denen sich Eltern und Nicht-Eltern bewegen. Hat man in der Zeit vor den Kindern ein relativ ähnliches Leben geführt, wird einem das der anderen jetzt plötzlich ein bisschen fremd.

Umso wichtiger ist es, dass man die Prioritäten und Problemlagen der anderen Seite, wenn man sie schon nicht mehr gänzlich versteht, zumindest auf Augenhöhe akzeptiert. Dazu gehört zum Beispiel, dass die ohne Kinder nicht beleidigt sind, wenn die mit Kindern manchmal – oder vielleicht auch mal über Wochen - lieber früh ins Bett als aus dem Haus gehen. Aber dazu gehört eben auch, dass man als Mutter nicht in den Größenwahn verfällt, man sei jetzt der einzige Mensch, der wisse, was Stress bedeutet.

Nicht überheblich werden

Womit ich wieder bei meiner Anfangsepisode wäre: Als ich also meiner Freundin so beim Jammern zuhörte und dachte „Deinen Stress hätte ich gern!, ärgerte ich mich gleich danach über meine Überheblichkeit. Als sie fertig war, erzählte ich ihr von meinem stressigen Wochenende. Und dann bemitleideten wir uns gegenseitig. Und dann lachten wir gemeinsam sehr darüber, dass wir uns beide so gern selbst leidtun.

Vielleicht ist das ja ohnehin das Wichtigste, wenn man Freunde bleiben will: Dass man noch über dieselben Dinge lachen kann – egal, wie viele Zeitzonen und Universen einen trennen.

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Kinder, Kessel und mehr.