Kinder im schicken Restaurant oder im klassischen Konzert? Oft langweilig für den Nachwuchs! Kinder müssen nicht überall hin mit, sagt unsere Autorin Lisa Welzhofer. Foto: Pixabay

Nach einem Abend mit ihrem Sohn im Sternerestaurant überlegt sich unsere Autorin zweimal, wohin sie ihre Kinder mitnimmt und findet: Kinder müssen nicht immer mit. Ein schlechtes Gewissen hat sie deshalb nicht.

Stuttgart - Als unser Sohn ungefähr zwei Jahre alt war, wurden wir von einem netten Menschen in ein Stuttgarter Sternerestaurant eingeladen – mit der ausdrücklichen Aufforderung, unser Kind doch bitte mitzubringen. Wir sagten zu, obwohl das Kind zu dem Zeitpunkt immer mal wieder gern und ausgiebig trotzte. An dem Abend dann waren wir maximal gut vorbereitet: Das Kind hatte einen sehr langen Mittagschlaf gemacht, wir hatten Spielzeuge jeder Art dabei und den festen Vorsatz, uns überhaupt nicht stressen zu lassen.

Der Abend war seinen Preis nicht wert

An der Garderobe, an der uns ein überaus zuvorkommender junger Mann die Mäntel abnehmen wollte, hatte der Sohn den ersten Schrei-Kreisch-Wutanfall, weil er seine Jacke nicht ausziehen wollte. Denn Rest des Abends saß er in Jacke und mit hochrotem Kopf am Tisch – oder auch gern drunter -, brüllte „Nein“, wenn das überaus zuvorkommende Personal ihn fragte, ob er eine Apfelschorle, Brot, Stift und Papier oder sonst etwas haben wolle, wollte nichts essen und spielen, und der Vater und ich waren damit beschäftigt, ihn – ziemlich gestresst - abwechselnd durchs Restaurant zu tragen oder ihm vorzulesen. Sagen wir es als Schwaben mal so: Der Abend war seinen Preis nicht wert.

Über die Frage, wo man (Klein-)Kinder überall mit hinnehmen sollte, lässt sich sehr gut streiten – und zwar mit Eltern ebenso wie mit Nichteltern. Meine Großmutter (Jahrgang 1926) würde sagen: „Gar nirgends mit hin, außer es handelt sich um einen Spielplatz oder Kindergeburtstag“. Aber meine Großmutter musste in ihrer Schulzeit auch als Strafmaßnahme mit nackten Knien auf Holzscheiten knien. Ganz so kathegorisch würde ich es also nicht sehen, aber seit dem Vorfall überlege ich mir schon ganz genau, zu welchen Veranstaltungen oder Einladungen ich mit Kindern erscheine und im Zweifelsfall gehe ich – wenn kein Babysitter verfügbar ist – lieber gar nicht hin.

Es kommt auf das Peinlichkeitsempfinden der Eltern an

Nicht mehr mitnehmen würde ich die Kinder zum Beispiel zu Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, in denen nur Erwachsene sitzen, es keinen Auslauf gibt und das Programm ausschließlich langweilig für Kinder ist – also zu Essenseinladungen in viele Restaurants oder Sitz-Konzerten.

Gut gehen hingegen – zumindest bei meinen Kindern - Veranstaltungen, bei denen man sich durch Räume bewegen kann (Vernissagen), es ungezwungen zugeht (WG-Party der Kollegen, Bruncheinladungen) oder es so viel zu gucken gibt, dass es egal ist, dass es eigentlich keine Kinderveranstaltung ist (Theater).

Natürlich kommt es auch ein bisschen auf die Gelassenheit und das Peinlichkeitsempfinden der Eltern an, und darauf, wie viel sie ihren Mitmenschen zumuten wollen. Eine Freundin erzählte mir kürzlich, dass sie ihre Vierjährige, als der Babysitter kurzfristig absagte, gezwungenermaßen in ein klassisches Konzert mitgenommen haben. Während sie den ganzen Abend äußerst unentspannt war, weil ihre Tochter manchmal eine Melodie mitsummte und auf dem Stuhl zappelte, fand ihr Mann das zum Beispiel gar nicht schlimm und die Drumrumsitzer reagierten – laut ihrer Aussage – auch ziemlich kinderlieb.

Kürzlich ging ich an einem Sonntagvormittag zu einer Lesung im Kulturzentrum Merlin. Als ich dort ankam, sah ich, dass fast alle ihre Kinder mitgebracht hatten. Während die Mütter und ein Vater im Saal der Autorin-Bloggerin-Mutter Rike Drust zuhörten, guckten die Kinder nebenan mit jeder Menge Spielzeug auf einer großen Leinwand „Die Sendung mit der Maus“ und bekamen von einer Leseohren-Patin vorgelesen. Familienprogramm nennt sich das und findet einmal im Monat im Merlin statt. Idealer kann ein Sonntagvormittag für Eltern kaum laufen. Noch stressfreier geht es eigentlich nur, wenn man - wie ich - trotzdem ohne Kinder zur Lesung kommt.

Warum unsere Autorin mit ihren Kindern nicht aufs Land zieht? Lesen Sie hier mehr.

Die Autorin Lisa Welzhofer ist Mutter zweier Kinder und lebt in Stuttgart. In ihrer Kolumne macht sie sich regelmäßig Gedanken über Kinder, Kessel und mehr.