Ungewöhnliche Ansichten: Trotz des Neubaus gibt es Seeblick Foto: factum/Granville

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche ist ein Rückschlag für Waldenbuch: Der Bürgerbus fährt zwar endlich, abern iemand sitzt drin. Während die Aussichten in Böblingen ganz gut sind, wenigstens auf einem Banner.

Waldenbuch - Die Vorfreude ist die größte Freude, lautet ein bekanntes Sprichwort. In Waldenbuch hat es sich auf eher bittere Weise bewahrheitet. Der lang ersehnte Bürgerbus kommt bei den Bürgern offensichtlich gar nicht an. Über Jahre hinweg haben die ehrenamtlichen Fahrer und Organisatoren dem Projekt entgegengefiebert – zuletzt bedingt durch die Auslieferungsschwierigkeiten für Elektrobusse, die dann mit dem Kauf eines Diesels behoben wurden. Umso schneller folgte auf die Vorfreude die Ernüchterung: Rund sechs Monate nach dem Start des Bürgerbusses sind sie vermutlich nur noch traurig: Eigentlich müssten 100 Personen pro Woche mit dem Fahrzeug transportiert werden, doch nur die Hälfte machte davon bislang Gebrauch.

Herumkurven mit einem abstrakten Ziel

Als ob es der Bürgermeister Michael Lutz geahnt hätte, betonte er schon zum Betriebsstart: „Der Bus ist für alle Generationen da, wir brauchen da jeden Bürger jeden Alters.“ Der Satz klang mehr danach, dass das Projekt unterstützt werden müsse, als dass es die Bürger unterstützen sollte. Offensichtlich hatten die Waldenbucher jedenfalls keine Lust, sich ehrenamtlich mit diesem abstrakten Ziel durch den Ort kutschieren zu lassen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, lautet ein weiteres Sprichwort. Dementsprechend hat der Gemeinderat dem Bürgerbus eine Galgenfrist bis Ende des Jahres gewährt.

Seinen Titel als Europäische Energie- und Klimaschutzkommune kann Waldenbuch ja nicht mehr dadurch verlieren, dass ein Diesel sinnlose Schleifen durch die City zieht. Er wurde ihr schon mit der Abschaffung der Stelle für einen Klimaschutzmanager entzogen. Trotzdem ist es der Verwaltung gelungen, einen neuen Titel zu erringen: Waldenbuch ist nun wenigstens „Recyclingpapierfreundliche Kommune“. Das klingt doch auch nett, wobei es die Auszeichnung nicht dafür gab, dass im Rathaus jedes Stück gräuliches Papier angelächelt wird. Eine Quote muss vielmehr erfüllt werden, was Waldenbuch anders als beim Bürgerbus in dem Fall zu 100 Prozent leistet. Die Verwaltung nutzt nur Papier mit dem Siegel des Blauen Engels.

Rutsche bedroht Stromversorgung fürs Daimler-Werk

Sindelfingen, das sich den Titel familienfreundliche Stadt verliehen hat, ist seinen Ansprüchen zuletzt auch nicht gerecht geworden. Mindestens zwei Jahre lang war der Waldspielplatz zwischen den Stadtteilen Schleicher und Hinterweil nicht benutzbar. Dabei hätte sich dort nicht einmal ein Nachbar am Kindergeschrei gestört. In dem Fall waren andere höhere Gewalten im Spiel: Die rote Rutsche war wohl genau über der zentralen Wasserversorgung von Sindelfingen positioniert, was noch nicht das große Problem war, sie stand auch auf der zentralen Stromleitung für das Daimler-Werk. Doch diese Tatsache hat die Verwaltung nicht paralysiert, wie so manche Familie sich in aller Freundlichkeit dachte. Es hat einfach seine Zeit gebraucht, bis die Bauarbeiten ausgetüftelt waren. Zum Ende der Sommerferien soll alles wieder für die lieben Kleinen funktionstüchtig sein.

Noch besser sind die Aussichten in Böblingen. Die Bewohner der Klaffensteinstraße haben nämlich neuerdings Seeblick – obwohl ihnen ein Achtfamilienhaus vor die Nase gebaut wurde. An der Fassade prangt ein zwölf mal viereinhalb Meter großes Foto, das das Böblinger Gewässer zeigt. Der Bauherr hat ungewöhnliche Ansichten: „Wir wollen mit dem Banner zeigen, was zu sehen wäre, wenn das Haus nicht wäre“, erklärte Ralf Sklarski der Lokalzeitung. Denn für kurze Zeit hatten die Nachbarn freie Sicht darauf, als die alten Gebäude abgerissen waren und das neue noch nicht stand. „So können sie sich weiter an dem Ausblick erfreuen“, sagte der Stadtrat (Freie Wähler) – und regen sich vielleicht nicht so über den Neubau auf, könnte man anfügen. Er sorgt sogar dafür, dass die Bewohner nicht im Winter den Sommer vor Augen gehalten bekommen: Das Banner wird den Jahreszeiten angepasst. Dabei wäre gerade die gegensätzliche Bilderabfolge reizvoll. Vorfreude ist schließlich die schönste Freude.