Vorher: das Klo von 1971. Foto: Stadt Herrenberg

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. ­Diese Woche hat Herrenberg einen großen Auftritt im Fernsehen verpasst. Und der Nufringer Gemeinderat erklärt das Dilemma der Politik.

Herrenberg - Dreckige Schulklos sind ein starkes Symbol. Erst diese Woche hat Frank Plasberg mit heruntergekommenen Toiletten den Verfall der Bundesrepublik demonstriert. „Es gibt Ecken in diesem Land, die kann man Besuchern kaum zeigen oder erklären. Da kommt Schamgefühl auf“, sagte der TV-Moderator. „Der Staat schwimmt im Geld – aber warum haben die Bürger so wenig davon?“, lautete die Frage der ARD-Sendung „Hart aber fair“. Und Herrenberg hätte als Beispiel dienen können, wären Plasberg und sein Team in diese Ecke gekommen. Die Sanitäranlagen in der Vogt-Heß-Grundschule sind nämlich 47 Jahre lang nicht saniert worden! Der Abstecher hätte sich doppelt gelohnt: Im Nachbarort Nufringen hätte es Antworten auf seine Frage gegeben.

Ausgerechnet im wirtschaftsstärksten Landkreis

Ausgerechnet in Baden-Württemberg, im wirtschaftsstärksten Landkreis Böblingen hätten sich passend erschütternde Bilder fürs Fernsehen finden lassen. Statt Urinale gab es für die Grundschüler nur eine Pieselrinne auf dem Boden. Beim Blick auf das Foto steigt einem fast schon der Geruch, der dort geherrscht haben muss, in die Nase. Kein stilles Örtchen, sondern ein vernachlässigtes. Jeder Schwabe hätte es sofort im Osten oder im Ruhrpott verortet. „Reiche Gemeinden haben einen Überschuss, da sind auch die Schulklos in Ordnung“, sagte Norbert Walter-Borjans erwartungsgemäß in der Sendung. „Arme Kommunen hingegen haben durch Überschuldung kein Geld, Schulklos zu sanieren“, erklärte Nordrhein-Westfalens einstiger Finanzminister (SPD). Zwar gebe es Zuschüsse, doch die würden nicht abgerufen, weil in den Rathäusern Personal fehle, um Bauanträge rechtzeitig umzusetzen.

Diesbezüglich kann Entwarnung gegeben werden: Vom Bund wurden 83 000 Euro für die Toilettensanierung abkassiert, in der Verwaltung gibt es also noch Kapazitäten. „Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, freute sich Bert Rudolph, der Leiter des Herrenberger Gebäudemanagements. Für den Fernsehauftritt ist es nun leider zu spät, denn Frank Plasberg wird niemals eine Talkshow mit der Nachricht „Wie gut es uns in Deutschland wirklich geht“ planen. Dabei könnte darin auch thematisiert werden, wie exzellent das deutsche Handwerk ist. Bei den Abbrucharbeiten kam es nämlich zu „unerwarteten Schwierigkeiten“: „Die Wandfliesen hafteten so gut, dass das Entfernen unverhältnismäßig lange gedauert hätte.“ Also wurden sie einfach neu verspachtelt und gestrichen.

In Nufringen bleibt alles, wie es ist

Politik ist wesentlich komplizierter, zeigte sich wieder einmal in der Nufringer Gemeinderatssitzung. Da hatte der Bäcker eine simple Änderung der Parkregelung beantragt: Statt zwei Stunden sollte nur noch eine Abstelldauer von einer Stunde in der Ortsmitte erlaubt sein. Seine Kunden könnten nirgends kurz anhalten, weil die Stellplätze ständig belegt seien, klagte der Handwerker, der ebenfalls wenig davon hat, dass der Staat in Geld schwimmt. Seine Einnahmen sind täglich um bis zu 500 Euro geringer, seit die Ortsmitte umgebaut wird. Die Gemeindeverwaltung fand sein Anliegen nachvollziehbar, die Koalition aus SPD und CDU nicht. Für eine Friseurbesuch brauche man oft länger als eine Stunde – und die Gäste des benachbarten Hotels wollten fürs Umparken sicher nicht früher aufstehen, gab ein SPD-Gemeinderat zu bedenken. „Wir wollen uns kein Ei ins Nest legen und eine Sonderlösung schaffen“, erklärte ein CDU-Kollege das Dilemma der Politik – und in Nufringen bleibt alles, wie es ist.