Die Schokoladenseiten Sindelfingens Foto: Wirtschaftsförderung

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche stehen bei einer Kommune die Zeichen dauerhaft auf Rot und eine andere wirft ihre Überzeugungen über den Haufen.

Waldenbuch - In der Politik ist der faule Kompromiss weit verbreitet, weil immer eine Partei dabei den Kürzeren zieht, und das ist meistens die SPD. In Waldenbuch hat der Gemeinderat ebenfalls einen faulen Kompromiss vereinbart. Ausnahmsweise sind in diesem Fall einmal nicht die Sozialdemokraten die Verlierer. Es trifft das Klima: Die Kommune, die sich klimafreundlich nennt, schafft einen Diesel- statt einen Elektrobus an, damit es mit dem Projekt Bürgerbus endlich vorwärts geht. Nur die CDU stimmte dagegen. Sie konnte ja schon in diversen großen Koalitionen die Auswirkungen von faulen Kompromissen beobachten.

Die bewährte Strategie von Angela Merkel

Die Waldenbucher Christdemokraten wollten vielmehr eine Strategie anwenden, die ihrer Kanzlerin Angela Merkel immer wieder vorgehalten wird – und die mehrfach verschobene Auslieferung des Elektrobusses einfach aussitzen. So lange wollte der Rest des Gremiums aber nicht warten, damit die Ehrenamtlichen nicht die Geduld verlieren und wenigstens das innerstädtische Klima gut bleibt. „Umweltpolitisch ist das zwar nicht ideal, aber wirtschaftlich interessant“, erkannte der Bürgermeister ganz im Sinne der FDP in dem Kauf eines Gebrauchtwagens. „Diese hysterische Diesel-Diskussion geht mir auf den Wecker“, folgte ein SPD-Rat dieser liberalen Argumentation, und eine Genossin fügte an: „So lange alle anderen auch noch mit dem Diesel fahren, wird es auf diesen Bus nicht ankommen.“ Der gebrauchte Diesel stammt übrigens aus dem Stuttgarter Stadtteil Botnang und erfüllt nur die Norm Euro 4. Ob er aus der Landeshauptstadt verstoßen wurde, weil dort wegen der Feinstaubproblematik bald Fahrverbote für diese Antriebsart drohen, ist nicht bekannt. Immerhin verfügt der Transporter neben neun Sitzen über eine elektrisch angetriebene Schiebetür, ausfahrbare Trittstufen und eine hydraulisch betriebene Hebebühne.

Eine kuriose Anschaffung tätigt derzeit auch die Stadt Sindelfingen: Sie erwirbt eine Ampel, die nie Grün zeigt. Angesichts einer solchen Anlage müssen Autofahrer zwangsweise Rot sehen – und das werden sie künftig an der Schwertstraße bei der Kreuzung mit der Mahdentalstraße. Weil sich zu den Stoßzeiten dort Staus bilden, die bis zur Autobahn zurückreichen, sollen die aus dem Westen der Stadt kommenden Autos bei Bedarf ausgebremst werden. Grün bekommt der Verkehr nie, was für die Daimler-Stadt doch eine außergewöhnliche Symbolik ist, die klimafreundlicher wirkt, als sich Waldenbuch gerade gibt.

Sindelfingen ist anziehender als Waldenbuch

In touristischer Hinsicht läuft Sindelfingen der „Stadt mit Schokoladenseiten“ auch den Rang ab: Die Wirtschaftsförderung hat ein Magnet-Set produzieren lassen, das die Martinskirche, die Galerie der Stadt, den Schwätzweiberbrunnen und das Stadtmuseum zeigt. Sie sollen zu Hause am Kühlschrank befestigt werden, damit sie kontinuierlich an die Besonderheiten der Stadt erinnern. Im Alltag vergisst man schließlich schnell, dass Sindelfingen durchaus seine Schokoladenseiten hat, denen jetzt niemand mehr ihre magnetische Anziehungskraft absprechen kann. Der Wirtschaftsförderer Sascha Dorday glaubt an die Wirkung des Souvenirs: „Dies wirkt bei Bürgern identitätsstiftend, bei Besuchern pflegt es Erinnerungen und lädt somit zu neuen Besuchen ein“, erklärte der Chef der Wirtschaftsförderung.

In Weil im Schönbuch hat man für solche Äußerlichkeiten nichts übrig. Seit 40 Jahren laufen dort die Feuerwehrleute in den gleichen Uniformen herum. „So manches Jackett und manche Hose platzt aus allen Nähten“, lautete die schockierende Nachricht in der Lokalzeitung – und zwar nicht nur in der Länge, sondern auch in der Breite. Manche Kameraden stünden quasi nackt da, auch für Neumitglieder gab es nichts Ordentliches anzuziehen. Um faule Kompromisse zu vermeiden und damit die Feuerwehr nicht wie ein bunter Haufen wirkt, hat der Gemeinderat einen Komplettaustausch sämtlicher Uniformen beschlossen. Ein Souvenir leistet sich die Gemeinde dabei: Während die Sindelfinger an ihrem Kühlschrank erkennen, wo sie hingehören, müssen die Weiler Wehrleute auf ihren Ärmel schauen, wo künftig die Wappen der drei Ortsteile prangen.