Wer den Rasen nicht mäht, muss erklären, warum. Foto: factum/Weise

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche wird in der Mählanie-Stadt nicht mehr gemäht. EIn Schild erklärt, warum. Sonst könnten die Nachbarn auf Gedanken kommen. Das Regierungspräsidium setzt derweil auf brutalst mögliche Aufklärung.

Herrenberg - Ehningen - Mählanie würde die Nase rümpfen, wenn sie denn eine hätte. Sie hält den Rasen auf dem Sportplatz des VfL Herrenberg immer schön kurz. Bei ihr kommt kein Grashalm über 28 Millimeter hinaus. Dafür kurvt der städtische Roboter unablässig über den Rasen. Der Verein der Obstbaumfreunde Schauinsland fühlt sich von der Maschine, die passenderweise wie die meisten Friseure einen weiblichen Vornamen trägt, wohl unter Druck gesetzt. Die Herrenberger sind jetzt natürlich akkurate Schnitte gewohnt. Genau das wollen die ehrenamtlich engagierten Bürger auf ihrer Wiese nicht bieten, obwohl sie mitten in einem Wohngebiet liegt.

Um Aufruhr in der Schwarzwaldsiedlung vorzubeugen, steht seit Neuestem ein Schild an der Grünfläche. Die Vereinsmitglieder waren offenbar in Erklärungsnot geraten, nun kann jeder jederzeit nachlesen, dass „das hohe Gras nicht auf die Nachlässigkeit der verantwortlichen Bürgergruppe zurückzuführen ist, ganz im Gegenteil“, betont die Stadtverwaltung extra in einer Mitteilung. Dass im Schauinslandweg weniger gemäht werde, sei vielmehr „eine bewusste Entscheidung“ für mehr Pflanzenvielfalt und mehr Insekten. „Wir hoffen, dass wir andere Menschen inspirieren können, auch weniger zu mähen“, wird ein Gruppenmitglied zitiert. Man könne den Rasenmäher guten Gewissens im Schuppen lassen und damit sogar einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten.

Schilder, um das Nichtstun zu erklären

Ob sich die Herrenberger davon überzeugen lassen, bleibt fraglich. Immerhin müssten sie dann Schilder an ihren Grundstücken aufstellen, um ihr Nichtstun zu erklären. Ansonsten könnten die Nachbarn in der Mählanie-Stadt auf alle möglichen Gedanken kommen. Die Bürger vom Schauinslandweg schlagen als Alternativprogramm vor, sich auf die Bank in ihrer Wiese zu setzen. Mit dieser Einstellung ist die bunt zusammengewürfelte Initiative auch die Umwandlung „einer tristen Rasenfläche in eine kleine ökologische Oase“ angegangen: Laut der Stadtverwaltung pflanzten sie seit 2018 Bäume und Sträucher – und feierten „auch schon mehrere Ernte- und Nachbarschaftsfeste“.

Zum Glück hat das Regierungspräsidium Stuttgart bislang nichts von dieser eigenwilligen Form von Umweltschutz erfahren. Sonst stünde längst eine weitere Infotafel an der Wiese. Am Steinbruch am Dagersheimer Berg bei Sindelfingen bittet die Behörde nun mit der gleichen Methode die Spaziergänger, das für Flora und Fauna vorbehaltene Gelände zu umgehen. „Leider hat der europaweit geschützte Kammmolch eine Angewohnheit, die ihm zum Verhängnis wird“, steht auf der neuen Hinweistafel. Wenn sein Teich austrocknet, suche er Schutz unter Steinen und Hölzern.

Statt MAChtworte brutalst mögliche Aufklärung

Von mehreren Verbotsschildern, die seit geraumer Zeit dort stehen, haben sich die Menschen jedoch nicht abbringen lassen, über Zäune in die Wohngebiete der Amphibien zu klettern. Nun hat im RP ein Strategiewechsel stattgefunden: Statt mit Machtworten wird versucht, mit brutalstmöglicher Aufklärung zu überzeugen. „Für den Kammmolch und die Wechselkröte enden diese Begegnungen immer wieder tödlich“, lautet die drastische Information. Wäre das Schild am Schauinslandweg von der gleichen Abteilung formuliert worden, würden sich sicher weniger Herrenberger trauen, ihren Rasenmäher aus dem Schuppen zu ziehen. „Lassen Sie Ihre Wiese wachsen, statt Bienen zu killen und Schmetterlinge auszuhungern“, wäre eine schön abschreckende Formulierung.

Was die Böblinger Verwaltung auf das neue Informationsleitsystem schreibt, das im kommenden Jahr in der Stadt aufgestellt wird, ist noch nicht bekannt. Ähnlich wie das Regierungspräsidium am Steinbruch will sie damit verhindern, dass Ortsfremde weiter orientierungslos durch die Stadt torkeln. Dabei wurden zwar weniger Kröten belästigt, aber offenbar eine andere Spezies, denn der Stadt sind die Schilder eine Stange Geld wert. „Statt unsere vom Aussterben bedrohten Radfahrer zu verdrängen oder die Böblinger mit Kohlendioxid zu vergiften, könnten Sie ruhig einmal mit dem Bus fahren“, müsste der Appell an den Stadteingängen eigentlich lauten. Aber leider wird der Text nicht im Regierungspräsidium formuliert. Rathausmitarbeiter weisen ja lieber auf Nachbarschaftsfeste als auf den Umweltschutz hin.