So sieht Arbeit aus: Paul Nemeth und Marc Biadacz (Zweiter von links und ganz rechts) . Foto: privat

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche räumt der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz mit dem Mythos auf, im Sommer würden Politiker nichts arbeiten.

Böblingen - Immer im Sommer sehen sich Lehrer wie Politiker üblen Vorurteilen ausgesetzt. Dass sie nichts schaffen würden, heißt es dann. Während die Lehrer momentan wohl alle in Urlaub gefahren sind, bemüht sich Marc Biadacz für seinen Berufsstand um ein anderes Bild. „Die Arbeit geht weiter – auch während der parlamentarischen Sommerpause“, verkündete der CDU-Bundestagsabgeordnete am 1. August. Seiner Meinung nach haben natürlich Journalisten dieses böse Gerücht vom Nichtstun in die Welt gesetzt.

„Auch wenn einige Medien gerne den Eindruck vermitteln, als würden alle Politiker während der gesamten parlamentarischen Sommerpause Urlaub machen, ist das Gegenteil der Fall“, schrieb Marc Biadacz in seinem Rundbrief. „Politik kennt streng genommen keine Pause“, fügte er in dicken Buchstaben an. Zum Beispiel mussten die Abgeordneten im Juli noch Überstunden machen: Für die Vereidigung von Annegret Kramp-Karrenbauer als Verteidigungsministerin wurde eine Sondersitzung des Bundestages einberufen. Sie sei auch deshalb besonders gewesen, weil sie wegen Renovierungsarbeiten nicht im Reichstag stattfand, sondern „unweit von meinem Büro“ im Paul-Löbe-Haus. Was liest der Journalist da zwischen den Zeilen? Der Böblinger Abgeordnete musste wenigstens nicht weit laufen.

Volles Programm für die CDU-Abgeordneten

Was sich hinter der harten Arbeit in den Ferien verbirgt, hat jetzt Paul Nemeth verraten. „Volles Programm für den Böblinger CDU-Landtagsabgeordneten Paul Nemeth und den CDU-Bundestagsabgeordneten Marc Biadacz“, heißt es in seiner Mitteilung. Die beiden hätten gleich drei verschiedene Veranstaltungen in ihrem Wahlkreis besucht. „Vom Stadtfest in Böblingen ging es zum Sommerfest der CDU in Gärtringen und dann pünktlich zum Fassanstich aufs Bachfest nach Altdorf.“

Politik als Beruf klingt nach richtigem Stress. Erst verfolgten sie auf dem Stadtfest die Vorführungen auf der Bühne, schreibt er. Auch die folgenden Zeilen hat der CDU-Landtagsabgeordnete und nicht ein Journalist verfasst: „Zwar keine akrobatischen Flugnummern dafür Reh und Schnitzel gab es für Paul Nemeth und Marc Biadacz dann auf dem Sommerfest der CDU in Gärtringen.“ Doch trotz des Termindrucks schafften sie es pünktlich zum Fassanstich in Altdorf, wiederholt er. Dort bestand ihre Arbeit darin, für den Festorganisator Jan Frohnmüller zu singen. Weil er an diesem Samstag „seinen Ehrentag hatte, sangen ihm Nemeth, Biadacz und Co. spontan ein Geburtstagsständchen“. In seinem Rundbrief vom 1. August hat sich Marc Biadacz übrigens schon von den Bürgern verabschiedet und ihnen erholsame Tage gewünscht: „Wir lesen uns am Ende der parlamentarischen Sommerpause wieder, das heißt am 1. Oktober!“

Politik macht nicht einmal an Neujahr Pause

Klar ist natürlich, dass auf solchen Festen jede Menge Politik gemacht wird. Das zeigt ein Beispiel aus Jettingen. Dort war der Landrat beim Neujahrsempfang und prompt (also nach fünf Jahren) ist die Kreisstraße nach Gäufelden saniert worden. Der Tag sei ihm noch in guter Erinnerung, sagte Roland Bernhard jetzt bei der Freigabe der Straße. Jettingens Bürgermeister Hans Michael Burkhardt hatte ihn gebeten, über den Ortsteil Öschelbronn heimzufahren. „Das habe ich gemacht, und als ich daheim war, war mir schlecht“, erzählte der Landrat jetzt. „Ob es am Essen lag oder an der Straße, weiß ich nicht genau, aber die K 1071 war in einem liederlichen Zustand“, berichtete er.

Dem Herrenberger OB werden allerlei Ambitionen nachgesagt

Anders als die Berichte von Paul Nemeth lassen solche Geschichten den Normalmensch wirklich glauben, dass Politik streng genommen nie Pause macht. Ein Landrat kann nicht einfach arglos Reh und Schnitzel essen, womöglich wird er hinterher über die schlimmste Holperpiste des Kreises gejagt. Sicher hat auch Thomas Sprißler den Bericht gelesen und daraufhin einen Rückzieher gemacht. Der Herrenberger Oberbürgermeister, dem allerlei Ambitionen nachgesagt werden, will nicht Landrat werden, jedenfalls nicht in Ludwigsburg. Wahrscheinlich kennt er dort die Straßen nicht so gut und ist sich nicht ganz sicher, welche Kost ihm die Bürgermeister servieren werden. „Meine Motivation, mich zu verändern, ist nicht so ausgeprägt, dass ich mich jetzt verändern will“, erklärte er. Roland Bernhard amtiert noch bis 2024 – und bis dahin sind vermutlich auch alle Straßen gerichtet, sodass Thomas Sprißler auch als Landrat ruhig zu den Ferienjobbern von der CDU nach Gärtringen fahren kann, ohne dass ihm danach übel wird.