Von abstürzenden Einnahmen zu steigenden Investitionen: Bernd Vöhringer Foto: StZ

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche rücken die Oberbürgermeister erst zaghaft mit den Folgen der Pandemie heraus. Nur Herrenberg fährt mit den Bürgern kein Schonprogramm.

Sindelfingen - Nicht umsonst heißt es: Das dicke Ende kommt noch. Nun müsste doch eigentlich die Corona-Pandemie an sich dieses unförmige Gebilde sein, etwa für die umweltunfreundliche Lebensweise der Menschheit. Aber im Kreis Böblingen müssen die Menschen sich auch weiterhin auf etwas gefasst machen. In den Neujahrsansprachen der Oberbürgermeister gab es davon schon eine Vorahnung. Sindelfingens Rathauschef Bernd Vöhringer stellte sich beispielsweise in dem Video vor eine Kurve, die am Ende steil abstürzte. Leider handelte es sich dabei nicht um sinkende Covid-Ansteckungszahlen, sondern die Gewerbesteuereinnahmen. Doch danach spaziert der OB freudig durch Sindelfingen und demonstrierte, wo überall investiert werden wird im neuen Jahr.

Ein paar Milliönchen werden vergraben

In die Tiefgarage unter dem Marktplatz werden ein paar Milliönchen (30, um genau zu sein) vergraben, in das Badezentrum fließt ein stattlicher Betrag und die Biennale kündigte Bernd Vöhringer auch schon an. Zur angespannten Haushaltslage sagte Sindelfingens OB hingegen nur, dass eben Einsparungen vorgenommen werden müssten. Auch sein Böblinger Kollege streifte das Thema nur am Rande, weil er vermutlich ebenfalls dachte, dass die Bürger schon genug gebeutelt seien. „Die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt durch die wegbrechenden Steuereinnahmen sind von historischem Ausmaß“, sagte er zwar einigermaßen dramatisch. Doch diese Lücke könne durch einen Griff in in die Rücklagen aufgefangen werden, fügte er beschwichtigend an. Erst in Zukunft müssten „kommunalpolitische Entscheidungen im Gegensatz zu früher noch stärker einer nachhaltigen Bewertung“ unterzogen werden, erklärte er in seiner Neujahrsansprache.

Allein wegen dieser Wortwahl müsste es den Böblingern nun Angst und Bange werden. Was unter „nachhaltiger Bewertung“ zu verstehen ist, übersetzte Thomas Sprißler mit „schmerzliche Einschnitte“. In Herrenbergs Haushalt klafft ein Loch von zehn Millionen Euro. Die Lasten sollten auf möglichst viele Bereiche verteilt werden, kündigte er in seiner Neujahrsansprache an – also auf die Bürger.

Einnahmen steigern über die Eltern

„Was wir tun müssen ist klar: im laufenden Betrieb Einnahmen steigern und gleichzeitig Ausgaben reduzieren“, konkretisierte die Verwaltung am Dienstag die Pläne. Für die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden soll, ist nicht viel Fantasie notwendig: Steuer- und Gebührenerhöhungen lautet die Antwort. Neben Grundstückseigentümern und Gewerbetreibende sollen auch Eltern zur Stadtkasse gebeten werden. Da sie die Kinderbetreuung in den Corona-Monaten sowieso kaum in Anspruch nehmen konnten und somit Geld gespart haben, dürften fünf Prozent mehr für die Kita zu verschmerzen sein, hat sich die Kommunalpolitik wohl gedacht. Nach dem Lockdown müsste die Bereitschaft, dafür jeden erdenklichen Preis zu bezahlen, auch extrem hoch sein.

Für Einsparungen ist viel mehr Kreativität notwendig. Bei der „nachhaltigen Bewertung“ sind in Herrenberg der Winterdiensts auf Radwegen, der hohe Standard bei Reinigungsleistungen und das Kulturfestival Sommerfarben durchgefallen. Ersteres wird eingestellt, zweiteres gesenkt und das Festival findet nur noch alle zwei Jahre statt, weil die Leute es jetzt ja gewohnt sind, dass nichts los ist. In Herrenberg geht es künftig also etwas schmutziger zu. Das stellt nach dem ganzen Desinfektionswahnsinn im Prinzip eine erholsame Abwechslung dar. Nur die Radfahrer sollten sich bei Schneefall vorsehen, damit sie nicht das Gesundheitssystem an den Rand der Belastbarkeit bringen.