Endlich angemessen: belegte Brötchen für ausgehungerte Stadträte. Foto: Steinert

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche will sich der Böblinger Gemeinderat nicht länger auf Diät setzen lassen – und der Magstadter Pfarrer keine Erleuchtung.

Böblingen - Gerade Geistliche streben für gewöhnlich nach spirituellen Erfahrungen, die neue Einsichten in höhere Ebenen ermöglichen. Eine solche Erleuchtung, die allen anderen Erdenbürgern den Weg weisen würde, ist einem Magstadter Kirchenvertreter aber nicht recht: „Dem Pfarrer ist es zu hell“, lautete die Überschrift in der Lokalzeitung. Er hätte es in der nach seinem Berufsstand benannten Pfarrgasse gerne etwas schummrig. Zur Begutachtung eines neuen Beleuchtungskonzepts war am Pfarrhaus ein Mast mit der geplanten Laterne versehen worden und einem Scheinwerfer, der die gegenüberliegende Kirchenmauer anstrahlte.

Pfarrer ohne Jalousien

Statt „Es werde Licht!“, rief der Pfarrer entsetzt: „Ich habe keine Jalousien!“ Mit seinen Eingebungen setzte sich der Geistliche beim Gemeinderat jedoch nicht durch. Auch der Hinweis darauf, dass die Kirchengemeinde einen Teil der Kirchenmauer besitze und saniert habe, brachte das weltliche Gremium nicht davon ab, mehr Licht ins Dunkel um das Pfarrhaus zu bringen. Die Mauer gehöre als Merkmal zum Ort, stellte einer der Räte klar. Auch wenn die Ohren seiner Zuhörer nicht aufmerkten, einen Trost gibt es für den Pfarrer: „Der Sehenden Augen werden sich nicht blenden lassen“, heißt es in der Bibel. Zumindest in der Pfarrgasse kommen die Magstädter also nicht mehr vom rechten Pfad ab.

Auf einem wahrhaftigen Leidensweg hat sich dagegen der Böblinger Gemeinderat in den vergangenen zwei Jahren befunden. Dies kam jetzt bei den Haushaltsberatungen ans Licht. Die Stadträte hatten sich selbst auf Diät gesetzt – unter der Führung des fast schon asketisch anmutenden Wolfgang Lützner. Um das strukturelle Millionendefizit im Haushalt zu beseitigen, sparte sich das Gremium einige Ausgaben vom Mund ab. Um 1650 Euro wurde Ende 2016 die Summe für das Catering während der Sitzungen gekürzt. Die Zeiten müssen schlimm gewesen sein, denn nun stellten die Freien Wähler einen verzweifelt klingenden Antrag. „Der Gemeinderat möge beschließen, die jährlichen Ausgaben für die Verpflegung bei den Gemeinderatssitzungen um 7500 Euro zu erhöhen und angemessene Verpflegung mit der entsprechenden Qualität bereitzustellen.“ Die Kürzungen sollen also gleich um ein Fünffaches wieder wettgemacht werden!

Ausgehungerte Stadträte in der Sitzung

Viele der Teilnehmer könnten vor den Sitzungen, die in der Regel gegen 16 Uhr beginnen, nichts mehr essen, erklärte der Fraktionsvorsitzende Daniel Wengenroth sein Ansinnen. Da die Zusammenkünfte aber teilweise bis 20 Uhr dauerten, solle durch eine „angemessene Verpflegung die Konzentration der ehrenamtlich Tätigen aufrechterhalten werden“. Mehr Obst schwebt ihm vor, belegte Brötchen „et cetera“. Allerdings ist es nicht so, dass es im Rathaus bisher nur Unangemessenes zu essen gab: Nach Kuchen muss Daniel Wengenroth nicht einmal rufen, der war im Angebot, Butterbrezeln, Bananen sowie Äpfel ebenfalls.

Dass der Hunger dennoch groß war, beweist ein anderer Antrag, den Helmut Kurtz (FDP) schon im Sommer stellte. Er forderte, dass der Gemeinderat auf keinen Fall vergrößert werden solle. Seit die Stadt die 50 000-Einwohner-Grenze überschritten hat, könnte die Zahl der Räte laut Gemeindeordnung von den jetzigen 32 auf 40 erhöht werden. Mit „einer besseren Arbeitsfähigkeit und Kosteneinsparungen“ hatte er seinen Antrag oberflächlich begründet. In manchen Religionen mag Fasten zwar die Erleuchtung bringen, in der Politik ist der Futterneid vermutlich stärker verbreitet.