Den Böblingern geht es gut: erst wird ein Maibaum aufgestellt, dann ein Fass Bier angestochen. Foto:  

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche zeigt die Welt ihre ungerechte Seite – direkt in Böblingen. Spardiktat und Wachstum liegen dort dicht beieinander. Der Landrat streicht Stellen, der Oberbürgermeister schafft sich ein eigenes Referat.

Böblingen - Die Schere zwischen Arm und Reich klafft im Kreis immer weiter auseinander. „Nehmen Sie es mir ab: Oft möchte ich die Nummer nicht machen“, ächzte Roland Bernhard unter einem von den Kreisräten auferlegten Spardiktat. Genau 47 von 1368 Stellen hat sich der Landrat aus den Rippen schneiden müssen. „Es gibt schon ein paar Schrammen ab“, sagte er jedenfalls über den Prozess der so genanten Aufgabenkritik. Genau untersucht wurde in seiner Verwaltung, welche Tätigkeiten eigentlich überflüssig sind.

Böse Zungen werden jetzt natürlich behaupten, dass aus den Beamten noch mehr herauszuholen wäre. Aus Roland Bernhard allerdings nicht: „Es war schon ein Kraftakt“, stöhnte er im Kreistag und bat darum, ihm das Ergebnis abzunehmen, „dass wir in einen regulären Betrieb übergehen können“. Ein Jahr lang war die Kreisbehörde damit beschäftigt, fünf Prozent des bei 80 Millionen Euro liegenden Personalbudgets zu streichen. Es sind zwar nur 2,8 Millionen Euro geworden, aber das Ergebnis ist einfach schön gerechnet worden. „Wir haben uns bemüht“, betonte der Landrat.

Die eingesparte Summe gleich wieder ausgegeben

Im nicht einmal ein Kilometer entfernten Böblinger Rathaus hatte Stefan Belz die Summe, die das Landratsamt jetzt eingespart hat, im vergangenen November bereits ausgegeben. Um genau fünf Prozent stockte der Oberbürgermeister das Stadtverwaltungspersonal auf: Zu den bestehenden 720 Vollzeitstellen genehmigte ihm der Gemeinderat 35 weitere. Dadurch steigen die Kosten für diesen Posten im städtischen Haushalt um drei auf rund 47 Millionen Euro. „Wir haben viel Geld“, so erklärte damals der Finanzbürgermeister Tobias Heizmann Zurückhaltung für unnötig.

Abgesehen von der schamlosen Zurschaustellung von Reichtum, während andere Ämter leiden müssen, geht der Personalaufbau im Böblinger Rathaus noch weiter: Der OB präsentierte kürzlich ein neu geschaffenes Referat, das seinen Namen trägt. Und im neuen OB-Referat gibt es natürlich eine neue Führungsposition. Er hat sie nicht öffentlich ausschreiben müssen, weil es sich um „eine absolute Vertrauensstellung“ handelt. Stefan Belz wählte dafür Saskia Brockmann aus. Weitläufig aus seiner früheren Zeit und seinem Netzwerk habe er sie gekannt, erklärte er. Dass es sich dabei um seine Grüne Partei handelt, ließ er sich erst auf Nachfrage entlocken. Und dass die neue Amtsleiterin die Frau von seinem Wahlkampfmanager Lorenz Brockmann ist, ebenfalls. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin hat die 31-Jährige bislang an der Universität Tübingen gearbeitet und in Sprachwissenschaften promoviert.

Manche Dinge müssen schön gerechnet werden

Für die Tätigkeit in einer Verwaltung, in der manche Dinge offensichtlich schön gerechnet und dann entsprechend schön geredet werden müssen, ist diese Ausbildung sicher eine gute Grundlage. Andererseits gibt es momentan aus der Stadt sowieso nur gute Nachrichten. Zum Beispiel, dass nach zehnjähriger Pause wieder ein Maibaumfest am Oberen See stattfindet. Der Brauch habe sich im 16. Jahrhundert in Deutschland entwickelt, heißt es in der Mitteilung aus dem neuen OB-Referat: „Der Maibaum steht seither für Gedeihen und Wachstum sowie für Glück und Segen.“

Der Baum ist übrigens so positioniert, dass er vom Landratsamt aus nicht übersehen werden kann. Aber dabei handelt es sich um keine böse Absicht aus dem Rathaus. Die Wiedereinführung dieser „wichtigen kulturellen Veranstaltung“ hat die CDU beantragt. Ihr Fraktionschef Hans-Dieter Schühle forderte von den Gemeinderäten auch Anwesenheitspflicht bei der Brauchtumspflege. Alle können sogar doppelt Böblingens Gedeihen und Glück feiern, weil der Maibaum auch gleich doppelt aufgestellt wird – in der Kernstadt und in Dagersheim.