Flamingos liegen im Trend Foto: dpa

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche wird die deutsch-amerikanische Freundschaft gefeiert – aber ohne Amerikaner. Die trinken lieber Freibier – und werden mit 50 000 starken Böblingern konfrontiert.

Böblingen - Hoffnungsträger sind bei der CDU schnell weg vom Fenster. Friedrich Merz konnte gerade noch seine Steuererklärung auf einen Bierdeckel kritzeln, da war seine politische Karriere schon beendet. Aber für die griffige Zusammenfassung eines komplizierten Zahlenwerks bleibt er wohl unvergessen. Stefan Belz hat sich nun mit einer ähnlichen Aktion ins Gedächtnis der Stadtfestbesucher gebrannt: Bei der Eröffnung am Samstag warf der Oberbürgermeister zum Freibier Bierdeckel in die Menge. „Wir sind Böblingen. Wir sind starke 50 000!“, lautete seine flotte Formel auf der Pappe. Das Statistische Landesamt hat nämlich nachgezählt und ist auf genau 24 649 Böblinger und 25 356 Böblingerinnen gekommen Das sind sogar fünf Stück mehr als in dem Slogan von Stefan Belz vermerkt – aber sie passten vermutlich nicht mehr auf den Bierdeckel.

Wird der Raum für Taten und Talente geschlossen?

Nun ist nicht ganz klar, ob der „Raum für Taten und Talente“, den sich die Stadt bisher auf die Fahnen geschrieben hat, von den vielen Böblingern abgelöst wird. Eines lässt sich jedoch aus der Botschaft ablesen: In der Politik werden gerne Sprüche geklopft, und Abgrenzung gegen Auswärtige liegt momentan im Trend. Mit „Genau hier. Genau wir“ zieht bekanntermaßen Gärtringen seit kurzem die Linie zwischen sich und allen anderen Kommunen. Gegen die etwas diffuse Ortsbestimmung klingen die starken 50 000 wie eine Bedrohung.

Historisch betrachtet liegt es eigentlich auf der Hand (und jetzt passenderweise in Form eines Bierdeckels), dass das lokalpatriotische Kräftemessen gegen die mindestens 61 000 Sindelfinger gerichtet sein muss. Aber als junger Hoffnungsträger hat Stefan Belz eine Rechnung aufgestellt, die ausnahmsweise einmal an andere Adressaten gerichtet war: Zwei Colonels und ein Sergeant von der US-Army haben sich das Freibier vom OB nämlich ebenfalls schmecken lassen und wurden dabei mit den neuen Zahlen konfrontiert. Bei dem ganzen (Schieß-) Lärm, den sie um „America First“ machen, müssen die Böblinger eben auch einmal ihre Muskeln spielen lassen, dachte sich wohl das Stadtoberhaupt.

Eine Warnung vor dem Freibadbesuch

Das gleichzeitig auf dem Flugfeld gelaufene Deutsch-Amerikanische Freundschaftsfest hat die Anspannungen derweil zu spüren bekommen. Der Veranstalter wollte mit seiner Party, die vor allem einem Rummelplatz gleicht, angeblich an alte Zeiten anknüpfen, als die Verbündeten noch öfter miteinander feierten. „Denn derzeit gibt es ja einige Differenzen“, erklärte er. Abgesehen davon hatte es der Friedenstifter allerdings nicht geschafft, einen einzigen US-Vertreter auf den Platz zu bekommen. Sie seien mit ihrem Independence Day beschäftigt, lautete seine Erklärung. Dass er trotzdem am Namen für sein Fest festhielt, hängt sicher damit zusammen, dass deutsch-amerikanische Freundschaft trotz aller Differenzen nach wie vor schön klingt.

Eine positive Botschaft verkünden auch die Böblinger Stadtwerke. Dabei handelt es sich zwar nicht um die Senkung der Fernwärmepreise, aber dafür um das Freibad. Die Trends der Saison haben sie ausfindig gemacht – allerdings klingt die Liste eher wie eine Warnung. Im Freibad tummelt sich nämlich eine Meute, die Badeanzug statt Bikini, Vollgesichtsmasken zum Tauchen, Gummilatschen in Fischform und wasserdichte Kopfhörer trägt. Sitzen tut diese neuartige Spezie auf Pink Flamingos, und zu essen gibt es Milchreis aus dem Weckglas. Vom Trendbarometer passt zur Formel des OBs nur, dass sich die 50 005 Böblinger wohl vermehrt beim Früh-schwimmen stärken.