Wasserstoff ist hip – aber wie klingt er eigentlich? Foto: dpa/H. Hanschke

Eine Physikerin hat eine besondere Form der elementaren Musikpädagogik entwickelt. Sie lässt chemische Elemente sogar in einer imaginären Band miteinander musizieren. Ziemlich verrückt, aber Hauptsache, die Chemie stimmt.

Früher hantierten Lehrkräfte im Chemieunterricht noch öfter mit Bunsenbrennern und Reagenzgläsern voller bunter Flüssigkeiten. Wenn dabei mal was schiefging, fanden das sogar hoffnungslose Chemiemuffel spannend. Heute ließen eng getaktete Unterrichtspläne und strenge Sicherheitsvorschriften kaum noch Raum für Experimente, klagen Pädagogen. Das ist schade, denn praktische Anschauung kann sich gerade bei einem theorielastigen Fach wie Chemie positiv auf die Lernmotivation auswirken. Wer schon mal erlebt hat, warum die Knallgasreaktion so heißt, befasst sich womöglich auch lieber mit den Eigenheiten des Elements Wasserstoff.

Einen ganz anderen Ansatz wählte Jill Linz. Die Musikerin und Physikdozentin am Skidmore College in Saratoga Springs (US-Bundesstaat New York) überlegte, wie sie ihre Zuhörer für das Periodensystem der Elemente begeistern könnte. Sie kam dabei auf eine Lösung, die ziemlich überzeugend klingt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Sie übersetzte die Spektrallinien der chemischen Elemente nämlich in Klänge.

Typisches Muster

Spektrallinien entstehen, wenn Atome durch Hitze oder Strahlung angeregt werden. Dadurch werden die Elektronen, die um den Atomkern herumwirbeln, auf ein höheres Energieniveau gehoben. Wenn sie wieder in den ursprünglichen Zustand zurückfallen, geben sie die überschüssige Energie in Form elektromagnetischer Wellen ab, die teilweise im Bereich des sichtbaren Lichts liegen. So ergibt sich für jedes Element im Periodensystem ein typisches Muster von Spektrallinien. Das macht es etwa möglich, von der Erde aus die Atmosphäre ferner Planeten zu erkunden. Dabei schließen Forscher aus der empfangenen Strahlung darauf, welche Elemente dort vorhanden sind.

Jill Linz nutzte die Spektrallinien, um jedem chemischen Element eine eigene Stimme zu geben. Dazu musste sie die hochfrequenten elektromagnetischen Wellen in deutlich gemächlicher schwingende Schallwellen umrechnen. Für jedes Element ergeben sich so mehrere Töne, die zusammen oft harmonisch klingen, teilweise aber auch ziemlich schräg. Spielt man die Klänge der Atome nacheinander ab, erinnert das entfernt an die Filmmusik von Science-Fiction-Dramen oder Tiefseeabenteuern. Tatsächlich haben einige Musiker die Atomklänge auch schon in ihren Werken eingesetzt.

Blei mit Piepsstimme

Für Chemiker dürfte es jedoch enttäuschend sein, dass es zwischen den Klängen der Atome und ihrer Zugehörigkeit zu einer der Gruppen des Periodensystems wie etwa Alkalimetallen, Halogenen oder Edelgasen keine eindeutigen Zusammenhänge gibt. Einige Grundtendenzen lassen sich dennoch feststellen. So klingen Elemente mit geringerer Masse wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Wasserstoff eher dissonant. Im Gegensatz dazu haben schwerere Metalle reinere Töne, die tendenziell höher sind. So hört sich etwa das schwere Blei im Vergleich zu anderen Elementen geradezu piepsig an.

Jill Linz ordnet den Elementen auch Musikrichtungen zu. Edelgase wie Helium, Neon oder Argon mögen demnach am liebsten Klassik, während Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff eher auf Jazz stehen. Metalle haben ein Faible für Rockmusik, das wenig überraschend auch das Heavy-Metal-Segment beinhaltet. In einer imaginären Atom-Band lässt Jill Linz unterschiedliche Elemente miteinander musizieren: „Am Schlagzeug sitzen zwei Wasserstoffe, denn einer ist nie genug. Sauerstoff spielt Flöte. Ihre Freundin Natrium möchte Klavier spielen, aber sie kann nur zwei Töne (. . .). Also lädt Natrium ihre Freundin Chlor ein, die die Melodie spielt, während Natrium den Takt hält.“

Und was lernen wir aus dieser besonderen Form elementarer Musikpädagogik? Chemie kann auch ohne explodierende Reagenzgläser unterhaltsam sein. Vielleicht kommt die Atom-Band ja auch noch in die Charts. Immerhin ist Wasserstoff – vor allem in seiner grünen Form – heute schon ein Superstar, bei dessen bloßer Erwähnung Politiker jeglicher Couleur weiche Knie bekommen. Aber Autogramme gibt es erst nach dem Konzert.