Tattoos sind beliebt – bald könnten sie auch nützlich sein. Foto: dpa/Martin Höke

Bislang sind Tätowierungen vor allem Geschmackssache. Als smarte Messgeräte für den Blutdruck und andere Gesundheitsdaten könnten sie auch dem medizinischen Fortschritt dienen. Und das ist längst nicht alles.

Die Zahl tätowierter Menschen nimmt zu. Umfragen zufolge hat hierzulande etwa jeder Fünfte mindestens ein Tattoo. Bei den 20- bis 29-Jährigen sind es fast 50 Prozent. In der deutschen Gesamtbevölkerung hat sich der Anteil tätowierter Menschen zwischen 2012 und 2019 fast verdoppelt. Wie verlässlich diese Zahlen sind, ist allerdings schwer zu beurteilen. Bei derartigen Erhebungen vertraut man in der Regel den eigenen Angaben der Befragten. Niemand muss dabei seine Tattoos vorzeigen.

Glaubt man wiederum einer anderen Studie, über die vor einiger Zeit das Magazin „Harward Business Manager“ berichtete, hat auch die Akzeptanz von Tattoos in der Arbeitswelt zugenommen. Eine Tätowierung sei mittlerweile kein Hemmschuh mehr für das berufliche Fortkommen, heißt es dort. In Hipster-Kreisen wirkt sie sich womöglich sogar positiv auf die Karrierechancen aus. Und trotzdem gibt es immer noch viele, die abfällig auf tätowierte Menschen herabschauen.

Doch diese Stigmatisierung könnte bald ein Ende haben. Denn Tattoos sollen in gar nicht so ferner Zukunft zu einem Treiber des medizinischen Fortschritts werden. Das glauben jedenfalls Forscher der University of Texas in Austin und der Texas A&M University. Sie haben ein temporäres Tattoo entwickelt, mit dem sich der Blutdruck messen lässt. Als Material haben sie sich Graphen ausgesucht – eine spezielle Form von Kohlenstoff, die nur aus einer einzigen Schicht von Atomen besteht. Auf der Innenseite der Unterarme der Versuchspersonen sind zwölf kleine dunkle Quadrate zu sehen, die in zwei Reihen etwas oberhalb der Handgelenke auf die Haut aufgebracht wurden. Entfernt erinnert das Ganze an einen Barcode.

Sensoren auf der Haut

Die Aufkleber enthalten jeweils zwei Graphenschichten auf einer Kupferfolie. Hinzu kommt eine 200 Nanometer (Milliardstel Meter) dicke Acrylschutzschicht. Die Sensoren erfassen den elektrischen Widerstand der Haut im Bereich der Handgelenke, der sich je nach Blutvolumen in den Arterien verändert. Aus den Messwerten errechnet ein Algorithmus den Blutdruck. Perspektivisch könnten die Daten dann per Bluetooth auf ein Smartphone übertragen werden.

Die Genauigkeit ist den Forschern zufolge mit bisherigen Messgeräten vergleichbar. Die neue Methode hat aber den Vorteil, dass sich der Blutdruck über einen längeren Zeitraum kontinuierlich überwachen lässt. Zudem entfällt das Hantieren mit einer Armmanschette. Das Blutdruck-Tattoo dürfte etwa in fünf Jahren marktreif sein, so die Entwickler. Auch andere Gesundheitsdaten könnten künftig über Hautsensoren oder – wie teilweise bereits heute möglich – implantierte Minimessgeräte erfasst werden.

Wenn sich die neuen Möglichkeiten erst mal unter Gesundheitspolitikern herumgesprochen haben, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis man sich auf Kassenkosten so ein medizinisches Tattoo verpassen lassen kann – auch wenn der Blutdruckmesser streng genommen nur ein dünner Aufkleber ist. Um diese Art der Gesundheitsvorsorge möglichst vielen Menschen schmackhaft zu machen, sollten aber neben schlichten schwarzen Quadraten auch klassische Tattoo-Motive angeboten werden – etwa Tiere, Blumen, Sternzeichen oder Totenköpfe.

Windrad oder Ölheizung?

Eine Tätowierung diene häufig dazu, der Außenwelt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu signalisieren, sagen Psychologen. Während Grünen-Wähler vielleicht ein Blutdruck-Tattoo mit einem stilisierten Windrad oder dem Konterfei von Robert Habeck bevorzugen, könnten FDP-Anhänger sich für die Darstellung eines Verbrennungsmotors oder einer Ölheizung entscheiden.

Um die Kosten im Rahmen zu halten, werden Gesundheitstattoos von Kassenpatienten vermutlich mit preisgünstigen Standard-Pigmenten koloriert. Privatpatienten sollen dagegen Anspruch auf hochwertige Metallic-Lacke haben. Kritiker der Zweiklassenmedizin dürften deshalb zu Recht bald wieder auf 180 sein. Da kommt selbst das beste Blutdruck-Tattoo an seine Grenzen.