Sicher, etwas mehr Normalität würde uns allen gut tun. Doch unser Kolumnist Michael Setzer hat mit dem Thema längst abgeschlossen und nicht mal eine Pandemie dafür gebraucht. Denn seit das Kind im Haus ist, ist nichts mehr normal. Super!
Stuttgart - Der Kleine steht im Flur, Windeln und Schuhe an, die Einkaufstasche locker über die Schultern gehängt. Er winkt, nickt und zeigt zur Haustür. „Lüssel!“, sagt er.
Das heißt „Schlüssel“, und dass er den jetzt gerne haben möchte, weil er selbst noch nicht herankommt. „Nimm bitte das Altpapier mit!“, will ich rufen. Mache ich natürlich nicht.
Es ist erstaunlich, wie jegliche Normalität einen Bogen um unser Leben macht, seit das Kind bei uns wohnt. Der Sohn erweitert ständig seine Kreise und rein mathematisch gesprochen ist mir das Erklärung genug, weshalb es bei uns ständig rundgeht – und immer anders.
Guter Witz: „Normalität“
Jegliche Normalität wurde abgesagt. Langeweile auch. Und zwar von einem, der noch keine zwei Jahre alt ist. Von einem Tag auf den anderen erreicht er Regionen in der Wohnung, die kurz davor noch als Versteck vor seiner Neugierde dienten.
Nach dem Stuhl kam der Tisch, nach den Lichtschaltern kam die Türklinke – wenn das so weiter geht, schraubt er nächste Woche die Rauchmelder ab.
Das Löffel-Rätsel
Ich habe jetzt zumindest das Rätsel gelöst, weshalb bei uns in der Wohnung vermehrt Löffel herumliegen: Der Junge reicht nun bis zur Besteckschublade – glücklicherweise nur bis zu dem Fach, in dem die Löffel abgelegt sind. Beziehungsweise „abgelegt waren“. Jetzt liegen die Löffel überall herum. Wenn ich beim Zähneputzen oder auf der Couch Lust auf einen Löffel hätte – es wäre immer einer griffbereit.
Und die Messer?
Momentan berät sich eine Taskforce über die künftige Zwischenlagerung anderer Utensilien – damit der Kerl nicht irgendwann die Messer durch die Wohnung trägt. Niemand braucht auf der Couch ein Messer. Falls doch, kann man es sich auch selbst holen.
Verzeihung, muss kurz die Haustüre abschließen. Nicht, dass der Kleine tatsächlich noch einkaufen geht. Och, super. Er hat das Mehl gefunden. Okee, Plan geändert: Türe abschließen, dann staubsaugen, dann die CDs aus der Waschmaschine holen und fragen, wo eigentlich die Maus vom Computer abgeblieben ist.
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Michael Setzer ist seit fast zwei Jahren Vater. Früher haben Eltern ihre Kinder vor Leuten wie ihm gewarnt. Niemand hat ihn vor Kindern gewarnt. Er schreibt die „Kindskopf“-Kolumne in der Stuttgarter Zeitung.