Unzufrieden mit der Verkehrslage: Michael Douglas in „Falling Down“ Foto: Verleih

Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche sorgt Sindelfingen für Besorgnis bei einer Krankenkasse und Deckenpfronn sorgt sich um die Zukunft seiner Bevölkerung.

Sindelfingen - Diese Landtagswahl wird auf der Straße entschieden. Florian Wahl (SPD) und Bernd Murschel (Grüne) melden zurzeit jede noch so kleine Baustelle. Etwa dass die Landesregierung den Ausbau der Ortsdurchfahrt in Leonberg-Höfingen mit 750 000 Euro bezuschusst. Damit die Mitteilung wenigstens etwas grün klingt, lässt der Landtagsabgeordnete der Umweltschutzpartei erklären, dass „Projekte, die die Verkehrssicherheit erhöhen“, im Fokus der Förderung stehen. Der Sozialdemokrat muss sich dagegen weniger zurückhalten: „Die Sanierung von Bundes- und Landesstraßen geht auch 2016 mit Hochdruck weiter“, verspricht er – und zwar mit drei Mal so vielen Millionen wie zu Zeiten der CDU/FDP-Regierung.

Pauschal mehr Staus auf den Straßen festgestellt

„Mehr Staus auf den Straßen“ haben dagegen die Liberalen vom Kreis Böblingen in der Opposition festgestellt – was aber gerade nicht an den vielen Baustellen liegt. Paul Nemeth führt als Grund noch mehr Millionen an: nämlich 100 an der Zahl, die die Grün-Roten an Straßenbaufördermittel in Berlin hätten liegen lassen, wie der CDU-Abgeordnete behauptet. Zum Glück gibt es im Kreis Unternehmen, die jenseits der Politik Problemlösungen entwickeln. Zum Beispiel Daimler. Denn im Werk Sindelfingen ist jetzt die neue E-Klasse vom Band gerollt. Der Wagen wird die Straßen entlasten, so unwahrscheinlich das auch klingen mag. Er ist mit einem Abstands- und Lenkpilot ausgestattet: Dadurch müsse der Fahrer „im normalen Fahrbetrieb nicht durch Bremsen oder Gasgeben eingreifen“, teilt der Konzern mit. Und die Umstellung von sämtlichen Mercedes-Fahrern auf Autopilot würde garantiert für einen besseren Verkehrsfluss sorgen.

Zumal die ganze Autofahrerei krank machen kann. Eine Krankenkasse hat jetzt festgestellt, dass die in Sindelfingen arbeitenden Menschen besonders gefährdet sind, an Stress-Symptomen wie Nervosität, Herzrasen oder Schweißausbrüche, an Nacken- und Rückenschmerzen oder Müdigkeit zu leiden. Das liegt zu einem großen Teil auch am Daimler-Werk. Genau 46 648 Berufstätige würden werktäglich in die Stadt pendeln, hat die AOK erfahren und warnt vor den Gefahren: „Wer länger pendelt, ist kränker“, heißt es in der Mitteilung. Für diejenigen, die loslassen können, wird mit dem Autopilot der E-Klasse nun möglicherweise einiges besser. Der Rest kann Kurse bei der Krankenkasse belegen, wie man auf dem Weg nach Sindelfingen „die eigenen Schutzfaktoren stärken kann“. Nicht zuletzt seien bei dem Thema auch die Arbeitgeber gefragt, die ihren Angestellten die Möglichkeit geben sollten, von zu Hause aus zu arbeiten. Daimler muss nur noch eine Lösung finden, wie die E-Klasse im heimischen Hobbyraum vom Band laufen kann.

Krankenkasse empfiehlt Sindelfingen nicht

Die Variante, nach oder näher nach Sindelfingen zu ziehen, wird von der AOK Stuttgart-Böblingen dagegen gar nicht empfohlen. Ein Blick ins Deckenpfronner Wochenblatt vom 25. Februar macht den Grund schnell deutlich: Auf den ersten Seiten sind die 29 Einwohner des Ortes aufgelistet, die 90 Jahre und älter sind. „Es zeigt sich, dass die Statistiker nicht immer recht haben“, jubiliert die Kommunalverwaltung darin. Allerdings sind damit nicht die Pendler der AOK gemeint, sondern die Einwohnerzahl. Diese sei entgegen den Prognosen erneut gestiegen – von 3246 auf 3284 Menschen. Im vergangenen Jahr sind 30 Deckenpfronner gestorben, aber 35 geboren worden. Und es sind noch mehr in Aussicht: Beim Standesamt gaben sich 13 Paare das Ja-Wort. „Deckenpfronn erweist sich weiterhin als attraktiver Ort, in den man gerne zieht“, lautet noch eine Erklärung für das unerwartete Bevölkerungswachstum. Somit wird endgültig klar, warum der Wahlkampf ein Straßenkampf ist.