Schild im Schaukasten der Heilsarmee im Stuttgarter Westen. Foto: ubo

In Deutschland ist die Zahl der Verbots-, Warn-, und Gebotsschilder fast endlos. Da tut es gut, wenn coole Sprüche aufgehängt werden, findet unser Kolumnist. Bei der Heilsarmee im Stuttgarter Westen steht: „Beten auf eigene Gefahr.“

Stuttgart - Das Stuttgarter Korps der Heilsarmee wird von den Leutnants Birgit und Markus Piechot geleitet. Im September 2015 hat das Ehepaar aus Ostwestfalen den Ruf Gottes erhört und ist mit vier Kindern in die Dienstwohnung der Freikirche gezogen – diese befindet sich an der Rotebühlstraße 117a direkt über einem einstigen Tanzsaal, der heute als Gemeindesaal Heil bringen soll.

Gegen weltliche Verführungen wie Alkohol wollen die Offiziere in ihren altmodisch wirkenden Uniformen etwas tun und gleichzeitig Bedürftigen helfen. Offensichtlich haben sie bei der ernsthaften Abwehr von sündhaften Vergnügungen ihren Humor nicht verloren. Im Schaukasten der mit militärischem Drill organisierten Kirche warnt im Stuttgarter Westen ein Schild: „Beten auf eigene Gefahr“.

„Mehr Tränen werden über erhörte Gebete vergossen als über unerhörte“

Ja, was ist da passiert? Hat jemand drei Buchstaben geklaut? Sollte es nicht „Betreten auf eigene Gefahr“ heißen?

Sie gehören zu Deutschland wie die Queen und Prinz Charles zu England: Schilder, auf denen „Betreten verboten“, „Auf eigene Gefahr“ oder „Eltern haften für ihre Kinder“ steht. Wann wird aus Haftungsgründen vorm Beten gewarnt?

Gefahren lauen immer und überall. Werden sie etwa größer, wenn man betet? Ein berühmtes Zitat lautet: „Mehr Tränen werden über erhörte Gebete vergossen als über die unerhörten.“ Die Karmelitin Teresa von Ávila kam bereits im 16. Jahrhundert zu dieser Erkenntnis.

„Jetzt hilft nur noch beten“

Bei vielen Gebeten dürfte es sich um reine Bettelei für sich selbst handeln. Einem Freund, der bei der evangelischen Kirche arbeitet, habe ich das Bild mit dem Schild der Heilsarmee geschickt. Seine Antwort per WhatsApp: „Beten ist gefährlich, das ist meine professionelle Meinung.“ Dennoch müsse man es positiv sehen, findet er: „Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Frage und Klage.“

Manche fangen erst mit dem Beten an, wenn es ihnen schlecht geht. „Jetzt hilft nur noch beten.“ Wenn der Arzt dies sagt, heißt das, die irdischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft. Gott möge ein Wunder tun. „Jetzt hilft nur noch beten“ – das klingt aber immer noch besser, als würde der Arzt sagen: „Bald ist’s vorbei, ich kann nichts mehr für Sie tun.“

Laut einer Umfrage der Zeitschrift „chrismon“ glauben 64 Prozent, dass sich Gebete positiv auf das Wohlbefinden des Betenden auswirken. 17 Prozent glauben sogar, dass Gebete die Wirklichkeit verändern können. Und wie viel Prozent sind der Ansicht, dass Beten gefährlich ist?

„Bitte leise rauchen“

Die Deutschen und ihre Schilder. Bei der unendlichen Weite der Verbots-, Warn-, und Gebotsschilder tut es gut, wenn coole Sprüche wie „Achtung, hier nur im Schritttempo denken“ oder „Beten auf eigene Gefahr“ aufgehängt werden. Vor einer Besenwirtschaft in Degerloch steht: „Bitte leisen rauchen.“ Man kann es nicht laut genug hinausbrüllen: Die Anwohner ärgern sich mehr über Straßenlärm der Qualmer also über die Schadstoffe, die sie rauspusten.

Auf Zigarettenschachteln müssen Warnhinweise mit drastischen Fotos zu sehen sein. So weit ist es im Glauben zum Glück noch nicht. Wie würde sich auch ein angsteinflößendes Foto auf dem Einband der Heiligen Schrift machen? Und noch einen Unterschied gibt es: Nur zum Rauchen werden die Menschen vor die Tür geschickt, noch nicht zum Beten.