Wem soll ich wählen? Provokativ, ohne Akkusativ! Foto: Achim Zweygarth

Es ist manchmal ganz leicht, sich auf die Landespolitik einen Reim zu machen. Die Landtagswahl und Konrad Epple haben gezeigt: wer richtig dichtet, nicht aufs Mandat verzichtet!

Landtagsverse - Wer macht’s mit wem? Macht das Spaß? Kann das produktiv sein? Wie lange geht das gut? Die Beschäftigung mit solchen marginalen Fragen überlassen wir gerne anderen Chronisten nach der Landtagswahl. Wir wissen hingegen schon alles: Wer hat im Wahlkampf die dollsten Ottos abgeliefert? Und: wer wird Ministerpräsident?

Aber der Reihe nach. Als naiver Beobachter lässt sich nach der Landtagswahl feststellen: alle, alle, wirklich alle Parteien haben einen „genialen“, „richtig, richtig guten“, „saugeilen“, „superguten“, „supergenialen“ etc. Wahlkampf gemacht. Das jedenfalls ist die tibetanische Gebetsmühle, die auf allen Wahlpartys am Sonntag zum Einsatz kam. Fragt sich: was zeichnet so einen genialen Wahlkampf eigentlich aus? Auflösung: alle vier, fünf Jahre wird dem Wahlvolk und allen, die sich sonst nicht retten können, ein Kuli, ein Wimpelchen oder ein Tütchen Gummibären mit Parteilogo in die Hand gedrückt, mit der freudigen Botschaft: „Du musst nicht AfD wählen, uns gibt es auch noch.“

Was hinten rauskommt? Epple!

Schade eigentlich, dass man von diesen Parteien das Jahr über sonst oft herzlich wenig sieht (ausnahmsweise muss an dieser Stelle eine Ausnahme erwähnt werden: Die FDP in Remseck hat sich das mit ihren Aktionen „Nicht nur vor der Wahl“ zum Prinzip gemacht. FDP-Wahlergebnis am Sonntag in Remseck? Stramme 11,3 Prozent). Wirklich entscheidend ist doch, das wusste schon Dauerkanzler Kohl, was hinten rauskommt. Das wissen wir in diesem Fall jetzt schon: Konrad Epple (CDU).

Ja, richtig gelesen, es gibt keinen Zweifel: Konrad Epple, Schlossermeister und Landtagsabgeordneter aus Ditzingen, wird neuer Ministerpräsident. Alles, wirklich alles spricht dafür. Bedingung Nummer eins hat er mit Bravour erfüllt: Er sitzt, mit Ach und Krach und Hoffen und Bangen nach der Zweitauszählung, im Landtag, als einer von 143 Abgeordneten. Somit stehen seine Wahlchancen mit 1:143 deutlich besser als beim Großteil des gemeinen Landesvolkes.

Landesmama ohne Merkel-Raute

Voraussetzung Nummer zwei: er kommt aus DEM machtpolitischen Wahlkreis schlechthin – Vaihingen/Enz, bei Insidern ehrfurchtsvoll„Wahlkreis 13“ genannt. Hier werden Landeseltern gemacht: Günther Oettinger stieg von hier aus zum Ministerpräsidenten auf (seine Spur hat sich leider in Brüssel verloren); hier wurde Annemarie Griesinger zur Landesmutti, lange Zeit bevor die Merkel-Raute erfunden wurde.

Grün-Schwarz unter Epples Ägide? Klare Sache, wenn man die Wahlkampfslogans kritisch unter die Lupe nimmt. „Für Wirtschaft und Natur“ (Markus Rösler)? Öde. „Der steht zu seinem Wort“ (Claus Schmiedel)? Sofort abwählen! „Frischer Wind für den Landtag“ (Fabian Gramling)? Gähn. Die Junge Union Ditzingen ging jedoch mit einem Knaller auf den T-Shirts auf Stimmenfang: „Sei kein Depple, wähl’ dr Epple!“ Das ist innovativ, nicht nur im Umgang mit dem Akkusativ, sondern auch bezüglich des Diktums, wonach man keine Witze mit Namen machen soll (siehe dazu den Titel dieser Kolumne).

Glänzend extrapoliert

Jetzt extrapolieren wir mal in Richtung anderer glänzender Wahlsprüche, die es leider nie gab: „S’isch glei’ halb Drei, wähl’ dr Reusch-Frey“ hätte dem Pfarrer aus Bietigheim-Bissingen, obwohl er Sozialdemokrat ist, sicher noch den Schugger Richtung Landtag gegeben. „S’kommt auf die Wärm’ an, wähl’ dr Klaus Herrmann“? Ein Slogan hätte genügt, und die CDU hätte ihren finanzpolitischen Sprecher noch.

Da wir uns auf Claus Schmiedel partout keinen jugendfreien Reim machen können, wenden wir uns der idealen Stellvertreterin für Epple zu (Tusch!): Brigitte Lösch. Die Grüne im Wahlkreis Stuttgart IV punktete mit dem Spruch: „Wer starke Frauen will, muss Grün wählen. Für Kretschmann.“ Eine Rolle rückwärts im Rollenverständnis?

Leider hat Gerlinde Kretschmann mangels Kandidatur den Einzug in den Landtag knapp verpasst. Dabei hätte ihr Slogan uns gut gefallen: „Schrei’s in alle vier Winde: i wähl’ d’ Gerlinde!“