Das Stadtarchiv Kirchheim (Kreis Esslingen) hat von einem Antiquitätenhändler elf Fotoalben der traditionsreichen Textilfirma Kolb & Schüle aus den 1950er Jahren erworben. Warum sie so wichtig sind.
Ein Unternehmen kann mehr sein als nur Arbeitgeber. Manchmal stellt die Firma für die Beschäftigten auch so etwas wie eine zweite Familie dar. Das verdeutlichen historische Aufnahmen, die jetzt ihren Weg in das Stadtarchiv von Kirchheim gefunden haben. Elf Fotoalben aus den 1950er Jahren dokumentieren detailliert und spannend zugleich, wie sehr sich das ortsansässige Textilunternehmen Kolb & Schüle dereinst um seine Mitarbeiter kümmerte. „Ich war überwältigt, als ich einen Blick in die Alben warf“, sagt Stadtarchivar Frank Bauer. Zu sehen sind unter anderem Veranstaltungen mit Kabarettisten und Musikern, lustige Betriebsausflüge und Jubilarfeiern für altverdiente Kolleginnen und Kollegen.
Persönliche Geschichten
„Die nüchternen Zahlen und das graue Betriebsgelände erhalten durch diese Bilder eine persönliche Geschichte, ein Gesicht und einen konkreten Namen“, hebt Bauer hervor. „Interessant finde ich auch, dass diese Fotos so gar nicht in das gängige Klischee der schwierigen Nachkriegsjahre passen, sondern eher vom beginnenden Wirtschaftswunder, Freude und Optimismus künden.“ Zugleich wird deutlich, wie vielfältig sich das soziale und kulturelle Programm des einst bedeutendsten Arbeitgebers der Stadt gestaltete, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1760 zurückreichen. Noch bis 1997 wurde in Kirchheim produziert. Doch der Niedergang der deutschen Textilindustrie riss das Traditionsunternehmen mit sich. Auch mit der Umstrukturierung zu einer Immobilienfirma und der Neuausrichtung auf den Telekommunikationsmarkt ließ sich die Pleite nicht abwenden. Inzwischen ist Kolb & Schüle aus dem Stadtbild verschwunden. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände ist ein Einkaufszentrum sowie ein Wohngebiet, das „Steingauquartier“, entstanden.
Von Antiquitätenhändler gekauft
Fast wären die Alben auf dem Müll gelandet. Ein findiger Antiquitätenhändler ist jedoch bei einer Haushaltsauflösung darauf aufmerksam geworden und bot sie dem Kirchheimer Stadtarchiv an. Dort konnte man einfach nicht Nein sagen und zahlte laut Bauer 600 Euro dafür. „Von solchen Schätzen lebt das Archiv und auch die Stadtgeschichte“, begründet er die Investition. Dieser Fotobestand sei „eine wunderbare Ergänzung“ zum bereits bestehenden Nachlass der Firma. Dazu gehören unter anderem handgeschriebene Auftragsbücher, die die Zeit zwischen 1800 und 1860 umfassen sowie zahlreiche Fotobestände der 1960er und 1980er Jahre.
Bevor alte Bilder weggeworfen werden, sollte man das Stadtarchiv kontaktieren, bittet Bauer. „Wir haben ein starkes Interesse daran, diese Schätze und Dokumente für die Nachwelt zu erhalten und zu pflegen.“