Die Broschüre für die neue Gemeinschaftsschule ist fast noch druckfrisch. Foto: Judith A. Sägesser

Von den nun 209 Gemeinschaftsschulen im Land liebäugeln einige mit dem Abitur als Abschluss. An der Körschtalschule haben derweil andere Fragen Vorrang.

Plieningen/Birkach - Die Broschüre mit den Barfußspuren ist druckfrisch. Sie kam am Mittwoch, 12. Februar, in der Körschtalschule an. Also zwei Tage nach der freudigen Nachricht. Am 10. Februar hat das Land Baden-Württemberg 128 neue Gemeinschaftsschulen genehmigt, darunter ist auch die Plieninger Schule. Auf diesen Moment haben die Rektorin Regine Hahn und ihre Kollegen seit Anfang 2009 hingearbeitet. Hätten sie am 10. Februar ein Nein kassiert, wären die Broschüren ein Fall fürs Altpapier gewesen. Doch das Risiko war ihnen klein genug.

Die Tage der offenen Tür mussten nicht abgesagt werden

Aus demselben Grund haben Regine Hahn und die anderen bereits seit Weihnachten die beiden Tage der offenen Tür vorbereitet, die waren Ende vergangener Woche, also am 20. und 21. Februar. Die Körschtalschule hat sich als Gemeinschaftsschule präsentiert, für sich geworben, erklärt, wie der Unterricht hier funktioniert, Eltern für sich gewonnen. Die Plakate hingen längst, wäre es mit der Gemeinschaftsschule doch nichts geworden, „hätten wir halt überklebt: fällt aus“, sagt Regine Hahn. Doch so weit kam es nicht; Ende vergangener Woche lief alles nach Plan.

Regine Hahn hat viel zu tun. Der Weg zur Gemeinschaftsschule füllt so manchen Aktenordner. Sie hat sich das Allerwichtigste auf ein paar Seiten geschrieben; das Bündel liegt griffbereit, falls sie daraus zitieren will. Mit 16 Kindern hat die aktuelle fünfte Klasse das Schuljahr begonnen, das ist wenig. Regine Hahn hat keine Ahnung, wie viele Eltern ihren Nachwuchs auf der neuen Gemeinschaftsschule anmelden werden. „Man kann gar keine Prognose abgeben“, sagt die Schulleiterin. Erst nach der Anmeldung am 26. und 27. März weiß sie mehr. Zwei Klassen wären toll, eine vielleicht realistischer.

Für die Körschtalschule hat das Abitur keine Priorität

Aber auch zwei Klassen sind zu wenig, um sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, ob die Körschtalschule in irgendeiner Zukunft das Abitur anbieten könnte. „Das ist für uns überhaupt keine vorrangige Fragestellung“, sagt Regine Hahn. An ihrer Schule beginnt gerade die Zukunft und nicht die Zukunft nach der Zukunft. Wer das Abitur machen will, „kann hier aus der Tür raus und drüben wieder rein“, sagt sie und meint das fast direkt benachbarte Paracelsus-Gymnasium.

Der dortige Schulleiter Siegfried Frey sagt, er freut sich, wenn irgendwann die ersten Gemeinschaftsschüler in seinen Klassenzimmern sitzen. Eine engere Kooperation schließt er aus. „Wir verfolgen mit Interesse, was in unserer Nachbarschaft geschieht“, sagt er. „Der Schritt ist mutig, wir begleiten ihn mit Sympathie.“ Doch man sei sich einig: „Wir wollen ein eigenständiges Gymnasium bleiben.“

Die Sorge, als neue Hauptschule abgestempelt zu werden

Von den 128 neuen Gemeinschaftsschulen liebäugeln einige durchaus mit dem Abitur. Manche, weil sie sich sorgen, ansonsten über kurz oder lang als neue Haupt- und Werkrealschulen abgestempelt zu werden. Andere, weil die Zahlen schon heute für sich sprechen. Wie zum Beispiel die Anne-Frank-Realschule in Möhringen. Sie nennt sich ab Herbst ebenfalls Gemeinschaftsschule.

Die Schulleiterin Beate Müller möchte unbedingt Abitur anbieten. Schon jetzt würden 70 Prozent ihrer Schüler auf ein weiterführendes berufliches Gymnasium wechseln. Die Schule ist dreizügig. Daher scheitert selbst sie an den Vorgaben des Landes. Diese besagen, dass „an einer Gemeinschaftsschule nach Klasse 10 mindestens 60 Schülerinnen und Schüler das Abitur anstreben“, wie von Stephanie Fritsche, einer Sprecherin des Kultusministeriums, zu erfahren ist.

Die Hürde ist laut der Möhringer Schulleiterin zu hoch

Das ist eine beachtliche Hürde. Eine zu hohe, wie Beate Müller findet. „Die Zahl 60 muss man noch mal überdenken“, sagt sie. „Die Frage ist doch, warum man es den Gemeinschaftsschulen so schwer macht.“

Wie viele der nun 209 Gemeinschaftsschulen das Abitur anbieten würden, ist unbekannt, sagt Stephanie Fritsche. „Die Anträge können noch nicht gestellt werden, weil die gesetzliche Grundlage noch geschaffen werden muss.“ Das soll bis 1. August geschehen. Regine Hahn aus Plieningen verfolgt das höchstens am Rande.