Unverhüllte Schaulust: Körperwelten-Erfinder Gunther von Hagens vor einer Sexszene mit künstlich konservierten Leichen. Foto: dpa

Die Anatomieschau in Ludwigsburg will tote Körper beim Sexualakt darstellen – mit dem Segen der Stadt.

Ludwigsburg - Um eine kühl kalkulierte Provokation ist der Plastinationskünstler Gunther von Hagens nie verlegen. Schließlich lebt seine seit Jahren um die Welt reisende Anatomieschau vom gezielten Tabubruch, ein handfester Skandal kurbelt den Ticketverkauf erst so richtig an. Seit 1995 tanzt der stets mit Hut auftretende Mediziner auf dem schmalen Grat zwischen Faszination und Ekel, weltweit haben sich bisher 34 Millionen Menschen zu einem Blick auf die künstlich konservierten Leichenteile verlocken lassen.

Auch in Ludwigsburg werden im Sommer gut 150 .00 Besucher in der umstrittenen Ausstellung erwartet. Trotz heftiger Kritik der Kirchen dürfte die stets von einem großen Medien-Echo begleitete Leichenschau in der Region Stuttgart einmal mehr zu einem Publikumsmagneten werden. Denn neben diversen Sportlern in makabren Posen haben die Veranstalter für das ab 19. Juni geöffnete Anatomie-Event auch einen tiefen Griff in die Schmuddelkiste in Aussicht gestellt.

Gruseleffekt beim Geschlechtsverkehr sorgte schon in Augsburg für Eklat

Interessierte Besucher sollen in der Arena auch mit detailgenauen Sexszenen beglückt werden – zumindest zwei mit toten Körpern nachgestellte Liebesakte haben die „Körperwelten“-Macher auch in Ludwigsburg im Programm. Mit dem Gruseleffekt beim Geschlechtsverkehr hatte der im Januar 1945 bei Breslau geborene Gunther von Hagens schon vor zwei Jahren in Augsburg einen schlagzeilenträchtigen Eklat provoziert.

Die Stadtverwaltung hatte die lüstern verrenkten Exponate schon im Vorfeld der Ausstellung untersagt. Doch der Verweis aufs bayrische Bestattungsgesetz hinderte den „Körperwelten“-Erfinder nicht, beim offiziellen Rundgang vor versammelter Presse einen „schwebenden Akt“ zu präsentieren. Augsburgs OB Kurt Gribl griff persönlich zu einer Decke, um die Glasvitrine in der Messehalle zu verhüllen.

Das bühnenreife Spektakel trieb die Besucherzahlen in die Höhe, zumal sich Gunther von Hagens lautstark über Zensur beschweren durfte und sich die bayerische Justiz wochenlang mit der Frage beschäftigen musste, ob Sexszenen mit Leichenteilen mit der Menschenwürde vereinbar sind. Pikant war der Versuch, die anrüchigen Exponate trotz des städtischen Verbots zu zeigen: Das innig verschlungene Liebespaar wurde mit Goldfolie verhüllt zur Schau gestellt – Verpackungskünstler Christo hätte seine Freude an der Idee gehabt.

Kompromiss für Sexualakte gefunden

In Ludwigsburg soll die Empörung über die Präsentation der im Liebesrausch vereinten Körper nicht so hohe Wellen schlagen. Zwar biss die Stadt mit dem Wunsch, dieAusstellung der beiden Geschlechtsakte im Sommer auf sechs Wochen zu beschränken, bei den Veranstaltern auf Granit. Auch der Vorstoß von Rathauschef Werner Spec, bei den Besuchern der Ausstellung ein Mindestalter von 16 Jahren vorzuschreiben, ließ sich offenbar nicht in die Tat umsetzen.

Doch laut der für die Vermarktung der Großsporthalle zuständigen Petra Roser fand sich für die Sexualakte ein Kompromiss: Die plastinierten Liebespaare sind in einem abgetrennten Raum zu sehen – vor dem Séparée sortiert das Sicherheitspersonal die Minderjährigen aus.

Mehr als 100.000 Besucher strömten schon in die Schleyerhalle

Apropos Altersfragen: Kinder unter zwölf Jahren haben keinen Zutritt zu den „Körperwelten“, es sei denn, sie tauchen in Begleitung eines Erziehungsberechtigten oder einer beauftragten Person an der Kasse auf. Laut Arena-Managerin Roser gibt es bereits mehrere Anfragen von Schulklassen aus der Region, die Anatomie-Schau im Rahmen des Biologieunterrichts zu besuchen.

In Stuttgart waren im Jahr 2003 bei einer zehntägigen Ausstellung der „Körperwelten“ über 100.000 Besucher in die Schleyerhalle geströmt. Weil das Rathaus zwei anstößig erscheinende Exponate entfernte, endete der Auftritt im juristischen Streit. Erst zwei Jahre später stellte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest, dass die Schau eine „würdige Präsentation“ garantieren müsse, aber nicht genehmigungspflichtig sei. Auch in Berlin gab es zuletzt eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Anatomie-Schau. Das Verwaltungsgericht untersagte Gunther von Hagens, bei einer Live-Präparation auch vor Zuschauern eine Leiche zu öffnen.