Die Ausstellung "Körperwelten" zeigt den Mensch ohne Haut und Haar. Foto: dpa

Geistliche sehen bei "Körperwelten"-Ausstellung die Menschenwürde der Sensationslust geopfert. 

Stuttgart - Die im Sommer 2012 in der Ludwigsburger Arena laufende Anatomieschau des umstrittenen Präparators Gunter von Hagens sorgt schon Monate vor der Eröffnung für Gesprächsstoff: Während die Ludwigsburger Stadträte von der Planung völlig überrascht sind, üben lokale Kirchenvertreter heftige Kritik.

Die Faszination für ungewöhnliche Einblicke in Muskelapparat und innere Organe wird freilich nicht überall geteilt. Pfarrer Heinrich Schützler von der evangelischen Friedenskirche sieht in der Anatomieschau eine pietätlose Grenzüberschreitung. "Wo hört es denn mal auf, Kapital aus dem Menschen zu schlagen?", kritisiert er. Dass das Publikum von der Mischung aus Show und Wissenschaft magisch angezogen wird, lässt der Theologe nicht gelten: "Auch im Römischen Reich hat die geifernde Masse sich am Blutbad im Circus Maximus ergötzt", betont Schützler. Der katholische Dekan Oliver Merkelbach spricht ebenfalls von "Sensationslust", bei der Ausstellung stehe das wirtschaftliche Interesse zweifellos im Vordergrund. "Aus christlicher Sicht geht die Würde des Menschen über den Tod hinaus", betont er. Vom Besuch der Schau abraten wollen allerdings beide Theologen ihren Schäfchen nicht: "Die Entscheidung muss jeder selbst treffen. Die Zeiten sind vorbei, in denen die Kirche den Christen etwas vorgeschrieben hat", so Merkelbach.

Wie CDU und SPD waren auch die Freien Wähler von der Planung der Anatomieschau überrascht. "Es wäre nicht schlecht gewesen, wenn man uns vorher ein Signal gegeben hätte", erklärt Fraktionschef Roland Glasbrenner. Grundsätzlich hat er freilich kein Problem mit Pietätsfragen: "Das Thema wird auf großes Interesse stoßen, und das tut der Arena gut." Elga Burkhardt von der Lubu-Liste ist "nicht begeistert" und schließt einen Besuch der Ausstellung aus. Aber: "Eigentlich sollen die bringen, was sie wollen - Hauptsache, das Defizit sinkt."

Imagezuwachs durch "Körperwelten"

Die Unterschrift unter die Verträge mit den "Körperwelten"-Machern muss für Petra Roser wie eine Erlösung gewesen sein. Seit gut einem Jahr muss sich die rührige Veranstaltungsmanagerin nicht nur um das Messegeschäft im Ludwigsburger Forum am Schlosspark kümmern. Nein, das Rathaus hat der Marketingfrau auch die undankbare Aufgabe übertragen, die nur schlecht aus den Startlöchern gekommene Arena mit Leben zu füllen. Wie schwer diese Last wiegen kann, zeigt ein Blick auf die Arbeitsbilanz ihrer Vorgänger: Im ersten Jahr nach der pompösen Eröffnung der Großhalle im Oktober 2009 gab es in dem Ludwigsburger Prestigeprojekt in privater Regie gerade mal 35 Buchungen.

Weil mit dieser Auslastung kein Blumentopf zu gewinnen war, zog Rathauschef Werner Spec die Notbremse - die Stadt gab den privaten Dienstleistern den Laufpass und nahm die Vermarktung der defizitären Großhalle in eigene Hände. Petra Roser und ihrem Team gelang es zwar, die Zahl der Belegungstage auf immerhin 65 Termine zu steigern. Doch eine finanziell tragfähige Basis für den Arena-Betrieb blieb auch mit dieser Buchungsquote noch weit entfernt.

Umso erfreuter ist die Arena-Managerin über die Dauerbelegung mit der Anatomieschau: Die umstrittene Ausstellung lässt nicht nur 150.000 Besucher erwarten. Durch die dreimonatige Laufzeit von Ende Juni bis Mitte September wächst die Zahl der Belegungstage auch auf einen Schlag auf 129 Termine, der Verlust beim Arena-Betrieb soll auf 300.000 Euro sinken. Kein Wunder also, dass Petra Roser von einer "einmaligen Chance" spricht, die Arena weit über die Region hinaus bekannt zu machen, und in den "Körperwelten" einen Imagezuwachs sieht. "Ich habe die Schau vor Jahren in Mannheim besucht und war begeistert", berichtet die Marketing-Frau.