Schwanger? Alkohol? Heiraten? Das sind alles Gesprächsthemen, bei denen man sensibel vorgehen sollte. Foto: picture alliance/dpa/Christin Klose

Und, wann ist es bei euch so weit? Warum bist du immer noch nicht Chef? Hast du zugenommen? Das sind Fragen, die bei Festen wie Ostern gerne fallen. Drei Expertinnen erklären, was Fragende motiviert – und wie man gut darauf reagieren könnte.

Warum bist du noch Single? Und, wann kommt das zweite Kind? Warum isst du kein Fleisch? Das sind Fragen, die in den kommenden Tagen beim Osterbrunch oder beim Wiedersehen mit Freunden gestellt werden dürften. Meist stecke profane Neugier und ehrliches Interesse dahinter, sagt die Psychotherapeutin Manuela Timme. „In der Regel wollen die Fragenden niemanden verletzten, sondern es interessiert sie ehrlich – und dann platzen sie damit raus.“ Doch nicht nur im Bereich der Politik, sondern auch im Privaten gebe es eben gewisse Themen, mit denen man Menschen vor den Kopf stoßen oder sie verletzen könne.

Frauen lieber nicht nach dem Alter fragen

Dabei komme es stark auf das Gegenüber an, welche Fragen kritisch seien, sagt Timme. Frauen jenseits der 25 würden meist nicht gerne gefragt, wie alt sie seien. Ebenfalls sollte man sich die Frage „Bist du schwanger?“ verkneifen – auch wenn eine Frau zugenommen habe. Wer gerade eine Beziehung beendet habe oder verlassen wurde, wolle meist nicht jedem die genauen Gründe erklären.

Transpersonen reagierten allergisch auf Fragen, ob sie operiert seien oder welches Geschlecht sie bevorzugten. Schwarze sollte man nicht fragen, woher sie oder ihre Eltern kommen. Auch wisse man nie, ob das Gegenüber trockener Alkoholiker sei und daher keinen Alkohol trinke. Und kaum jemand wolle – zumindest in Deutschland – sein Gehalt preisgeben.

„Früher wurden im Gespräch Themen wie Religion und Politik ausgespart“, sagt die Tübinger Soziologin Marion Müller. Zu groß war die Gefahr, dass die Ansichten kontrovers sind. Heute gelte das zwar auch noch, sei aber nicht mehr so eindeutig. Die Fettnäpfchen hingen stark mit Alter, Geschlecht, Position im Lebenslauf, Milieu und kulturellem Hintergrund zusammen: „Anderswo wird noch selbstverständlicher als hier angenommen, dass man in einem bestimmten Alter Kinder bekommt.“

Das amerikanische Model Tyra Banks hatte bereits 2015 eine Diskussion losgetreten, nachdem sie in einer Talkshow darum gebeten hatte, Frauen nicht mehr zu fragen, wie es mit der Familienplanung aussehe.

„Ab etwa 14 Jahren wird eine Frau auf ihre Fruchtbarkeit hin beobachtet“, weiß Müller. Und in weiten Teilen der Gesellschaft gelte das Gründen einer Familie mit Kindern als erfülltes Leben. Trotzdem könne es für Frauen unangenehm sein, wenn sich andere unverblümt danach erkundigen. „Frauen verhandeln diese Frage mit sich selbst.“ Wenn sie es wollten, würden sie das Thema schon von alleine ansprechen.

Rebecca Krausse ist Geschäftsführerin der Plattform Any Working Mom, hat selbst ein Kind – und hat lange die Erfahrung gemacht, nach der Planung fürs Zweite gefragt zu werden: „Erst sieben Jahre nach der Geburt des ersten Kinds kamen keine Fragen mehr.“

Die meisten Menschen hätten noch immer das Idealbild der bürgerlichen Kleinfamilie im Unterbewusstsein: Mutter, Vater, verheiratet, zwei Kinder – am besten Junge und Mädchen im Altersabstand von zwei Jahren. Aus diesem Grund fragten die Menschen nach, wenn eine Person offensichtlich nicht diesem Idealbild entspreche, sagt Krausse: „Heute gibt es aber nicht mehr ein Ideal, sondern so viele Ideale, wie es Menschen gibt.“

Familienplanung ist immer ein sensibles Thema

Als Rebecca Krausse schwanger wurde, riet ihr eine Freundin, sich von nun an auf ein paar Fragen vorher Antworten zu überlegen, weil sie „nun in eine Phase kommt, in der es alle anderen besser wissen“. Dazu gehörten Fragen danach, ob das Kind bereits durchschlafe oder ob es schon feste Nahrung zu sich nehme. „Es kommt natürlich darauf an, wer fragt und wie viele Leute zuhören“, sagt Krausse. Generell empfehle sie aber, die Fragen offener zu stellen, zum Beispiel: Wie geht es der Familie? Oder: Wie bewerkstelligt ihr das Familienleben? Dann könne das Gegenüber selber entscheiden, was und wie viel preisgegeben werden möchte.

Besonders hart trifft es ihrer Erfahrung nach Kinderlose: „Wer gerne Kinder hätte und keine bekommen kann, bei dem werden schmerzhafte Gefühle mit solchen Fragen ausgelöst“, weiß sie. Zumal Fehlgeburten immer noch ein Tabuthema seien, „nebst der Trauer und dem Schmerz haben sich Frauen vor allem früher oft nicht als echte Frau empfunden, wenn sie keine Kinder bekommen konnten“. Noch härter treffe es jene, die bewusst keine Kinder wollten, „das ist noch mehr tabuisiert, als keine Kinder bekommen zu können“.

Nach Krankheiten fragen kann gut gehen – oder nicht

Doch auch Männer werden mit manchen Fragen übermäßig konfrontiert – etwa wann sie ihrer Partnerin einen Heiratsantrag machten. Oder wenn sie bestimmten Rollenbildern nicht entsprechen – etwa dem des beruflich erfolgreichen Mannes. In einem ihrer Seminare hat sich eine Gruppe Studierender mit der Diskriminierung und Stigmatisierung von Hausmännern beschäftigt, berichtet die Soziologin Marion Müller. „Diese Männer haben berichtet, dass sie ständig gefragt werden, wann sie denn wieder arbeiten gingen.“ Wobei es auch da auf den Wohnort und das Milieu ankommt, ob Männer länger als ein Jahr zu Hause bleiben „dürften“, wenn sie Kinder haben. „In Tübingen wird das vielleicht noch eher akzeptiert als im Osten Deutschlands“.

Ein Grenzfall seien Fragen nach der Karriere oder nach Krankheiten. „Gerade Ältere reden gerne über Krankheiten, das kann etwas Gemeinschaftliches haben“, sagt die Psychologin Timme. Für ein leichtes, oberflächliches Gespräch sei es dennoch ein riskantes Thema, weil man nie wisse, ob einer am Tisch sitze, der womöglich nur noch kurz zu leben habe. Fragen nach der Karriere könnten motivierend sein, aber auch frustrierend, wenn die Person etwa gerade länger krankgeschrieben sei. „Man kann aber immer fragen: ‚Möchtest du davon erzählen, oder ist das gerade ein blödes Thema?‘“, rät Timme.

Am besten das Gleiche zurückfragen

Und was kann man entgegnen, wenn einem eine Frage gestellt wird, auf die man nicht antworten möchte? „Am geschicktesten ist es immer, das Gleiche zurückzufragen“, meint Manuela Timme. Wenn der Onkel also fragt, warum man keinen Alkohol trinke, könne man ihn fragen, warum er welchen trinke. Wenn man gefragt werde, ob man Männer oder Frauen bevorzuge, könne man dasselbe zurückfragen. Wenn eine Frau von einem Mann gefragt werde, wann sie schwanger werde, könne sie ihn fragen, wie es denn in seiner Beziehung gerade laufe. Alternativ könne man klar formulieren, dass man darüber nicht reden wolle, „aber das kann die Beziehung belasten“, sagt Timme.

Rebecca Krausse glaubt unterdessen, dass sich die Gesellschaft derzeit in einem solchen Wandel befindet, dass in den kommenden Jahren solche Fragen immer seltener werden – und man auch noch selbstverständlicher sagen könne: Das geht dich nichts an.

Unverfängliche Fragen für Treffen

Tipps
Über Ostern stehen bei vielen Menschen Treffen mit Verwandten oder Bekannten an, die man sonst selten sieht. Um beim Small Talk in kein Fettnäpfchen zu treten, hat die Psychotherapeutin Manuela Timme ein paar Tipps für unverfängliche Fragen: Magst du Haustiere? Magst du lieber Hunde oder Katzen, Berge oder Strand? Was ist dein Lieblingsfilm, -musik, -buch? Was machst du am liebsten bei so einem Wetter wie heute? Welche Dinge möchtest du noch erleben? An welchem Ort kannst du dir vorstellen zu leben – und warum? Ohne welches Essen könntest du nicht leben? Was ist für dich die angenehmste Art zu entspannen? Was würdest du mit einem Lottogewinn machen? Oder welche Superkräfte hättest du gerne? (jub)