Körbe, wohin das Auge blickt und mittendrin Ivan Pogorelec, der sich nichts anders vorstellen könnte und auch mit 75 Jahren noch täglich in seinem Laden sitzt. Foto: Gottfried Stoppel

Ivan Pogorelec ist ein Künstler, auch wenn er das gar nicht so sieht. Der 75-jährige Kroate ist Korbmacher, in seinem Laden in Winnenden scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Zu Besuch an einem besonderen Ort.

Wenn es ihm an einem Ort gefallen hat, ist er auch mal länger geblieben. Wenn er sich hingegen nicht wohl fühlte oder die Zeit reif war für eine Veränderung, dann hat Ivan Pogorelec seine Koffer gepackt und ist weiter gezogen. Auf diese Weise kam der gebürtige Kroate in ganz Deutschland herum und hat an den unterschiedlichsten Flecken Körbe geflochten.

 

Denn der 75-Jährige ist Korbmacher. Einer von der alten Schule, der sein Handwerk mit Leidenschaft ausübt und sich auch jetzt – längst im Rentenalter – nicht vorstellen könnte, etwas anderes zu machen. „Man braucht Erfahrung im Leben. Und die bekommt man, indem man eine Sache zu hundert Prozent macht und sich nur darauf konzentriert. Das tue ich, es macht mir Spaß und ich kann damit Freude schenken“, sagt der Korbmacher, der seine Kunst auch schon in Nürnberg, im Schwarzwald und in Westerland auf Sylt ausgeübt hat. Auf der Nordseeinsel war er zwei Jahre und hat bei Wind und Wetter Strandkörbe für die Reichen und Schönen gefertigt. „Es war eine tolle Zeit, aber die Nordsee ist kalt und stürmisch. Da hat mir die Wärme der Adria gefehlt.“

Schon von außen ein Hingucker, der Laden des Korbmachers Ivan Pogorelec. Foto: privat

Der 75-Jährige Korbmacher ist in Kroatien geboren

Dort, in einem Ort nahe der kroatischen Hauptstadt Zagreb, ist Ivan Pogorelec aufgewachsen. Und dort hat er das Handwerk des Körbeflechtens auch gelernt. Sein Vater hatte einen kleinen Betrieb als Korbmacher und zeigte es seinem Sohn. „Da gab es keine Wahl. Es war ganz klar, dass ich das Handwerk meines Vaters lernen und weiterführen würde. Basta.“ Der 75-Jährige kann sich noch genau an den ersten Korb erinnern, den er gemeinsam mit dem Papa gemacht hat. Es war ein kleiner Korb, perfekt für Zwiebeln, wie man ihn in vielen Küchen stehen sieht.

Schaut man sich in seinem kleinen Laden in Winnenden um, dann sieht man solche kleinen Körbe auch. Doch sie gehen fast unter zwischen all den Kunstwerken, die da gestapelt auf Regalen, die Treppe hoch und im ersten Stock ausgestellt sind. Körbe, wohin das Auge blickt. Große und kleinere, in unterschiedlichen Naturtönen, Mustern und Formen. Da stehen Puppenwagen neben Paravents und großen Wäschekörben. Bauchige Flaschenkörbe reihen sich ein neben Picknickkörben, Korbsesseln und großen Einkaufskörben. Und quasi mittendrin sitzt Überlebenskünstler Ivan Pogorelec, werkelt schon am nächsten Stück und freut sich, dass er Besuch hat und erzählen kann.

Bei dem Korbmacher gibt es keinen Stress

„Machen Sie es sich bequem“, sagt er und fängt an zu sprechen – von Tagen, an denen er nicht nur drei bis vier neue Körbe anfertigt, sondern auch alte Schätze repariert, die ihm die Kunden anvertrauen. Eine Dame hat zum Beispiel eine Art Schmuck- oder Nähkästchen gebracht, bei dem etwas gerissen ist. Das gute Stück müsse gerettet werden.

Oft sind es Frauen, die sich in dem kleinen Laden in aller Ruhe umschauen. „Hier gibt es keinen Stress. Jeder kann sich in Ruhe das passende aussuchen. Ich habe auch viele Stammkunden“, sagt der 75-Jährige und blickt sich in seinem Reich um, in dem es aussieht, als sei die Zeit schon vor langem stehen geblieben. Ivan Pogorelec ist einer der wenigen, die das alte Korbhandwerk noch ausüben. „Das will niemand mehr machen. Abends schmerzen die Hände und gut verdienen tut man auch nicht“, sagt er und schnappt sich einen Bund Weidenholz.

Bevor der 75-Jährige damit flechten kann, muss der Korbmacher das Weidenholz in heißem Wasser einweichen, damit es biegsam wird. Dann kann es geschält und verwendet werden. „Eingefärbte Körbe gibt es bei mir kaum, weil ich keine Chemie benutzen möchte. So hat es auch schon mein Vater gehalten.“ Apropos: Der Vater von Ivan Pogorelec war wohl ein noch größerer Überlebenskünstler als der Sohn, denn als er im Zweiten Weltkrieg nach Sibirien verschleppt wurde, wusste er sich zu helfen. „Er fertigte für einen russischen Offizier einen Korbsessel an. Es war zwar problematisch für ihn, an Weide zu kommen, aber irgendwie hat er es geschafft.“ Der Sessel kam so gut an, dass auch andere Offiziere darauf aufmerksam wurden und einen wollten – mit dem Ergebnis, dass Ivan Pogorelecs Vater mehr Essen bekam und besser behandelt wurde. Zurück in Kroatien flocht der Vater weiter und brachte die Kunst später dem Sohn bei.

Eine Freundin leiht dem Korbmacher 20 000 Mark

Dass der in Winnenden gelandet und hängen geblieben ist, war dem Zufall geschuldet. Eine Freundin lud ihn in den Rems-Murr-Kreis ein und lieh ihm 20 000 Mark. Der Korbmacher nutzte das Geld, ging zur Bank und kaufte sich das Haus in der Unterweiler Straße. Unten richtete er den Laden ein und oben wohnt er bis heute mit seiner Frau. „Ich hab mir damals aus dem Nix was aufgebaut.“

Damals, das war vor etwa 50 Jahren, als er das Haus an der Höfener Ortsdurchfahrt gekauft hat. „Ivan, der Korbmacher“ ist außen zu lesen. Seine Tochter wollte das Handwerk nicht lernen. „Die hat studiert, lebt mit ihrer Familie in Berlin und hat einen Job, in dem man mehr verdient.“ Der Korbmacher ist nicht traurig, wenn es keinen Nachfolger gibt. Er hat sein Glück gefunden und ist bescheiden: „Noch bin ich da und komme zurecht. Und zum Erholen fahre ich nach Kroatien. Was später ist, wird sich zeigen.“

Der Körbeladen befindet sich in Winnenden-Höfen, Unterweiler Straße 1. Geöffnet ist montags bis samstags, jeweils von 9 bis 18 Uhr.