Ein langes Abluftrohr über der Filiale einer Fast-Food-Kette bläst Bratfettaromen in die Fußgängerzone. Foto: Stadtkind/Erdem Gökalp

Am Anfang der Königstraße muss man im Slalom laufen, um nicht in Bratfettgeruch gehüllt zu werden. Dabei wollen die Menschen doch nur Platz für ein bisschen Würde, kommentiert Redakteur Erdem Gökalp.

Man muss Stuttgart nicht lieben. Man muss es Menschen, die neu in der Stadt sind, aber auch nicht zu leicht machen, die Stadt zu hassen. Denn mitunter kommen einem die ersten Schritte, die man vom Hauptbahnhof kommend auf die Königstraße setzt, wie das Intro zu einem Endzeitfilm vor.

 

Zunächst mal die größte Baustelle von allen (no pun intended, ich schwöre, trotzdem: siehe Stuttgart 21). Wieso zum Geier kriegt man an diesem Eingang zur 1,5 Kilometer langen Shoppingmeile von McDonald’s direkt deren Abluft ins Gesicht geschossen? Auf welche Art von Einkauf soll das einstimmen? Läuft man auf der rechten Seite, kommt der Geruch von Doppel Whopper, gepaart mit ranzigem Fett eher subtil aus der Burger King-Filiale. Geht man jedoch auf der linken Seite, schießt McDo mit Big Mac-Aromen dagegen, gepaart mit altem Abluftrohr, aber dafür mit Fett, das nach besseren Pommes riecht. Besonders im Hochsommer, wenn man gerade aus der Saunakabine der Linie 42 gestiegen ist, kann einem der Dunst gerne mal den letzten Rest geben und einem den Magen umdrehen. Dabei könnte man das Abluftrohr der Fast-Food-Kette einfach länger machen und in Richtung Himmel ausrichten.


"Stuttgarts Fußweg: Ein Geruchserlebnis der besonderen Art"

Apropos Magen umdrehen: Ist diese Geruchsexplosion vielleicht der Grund dafür, warum einen gleich die nächste Feng-Shui-Apokalypse einige Meter weiter mit offenen Armen empfängt? Denn deren Funktion scheint primär zu sein, menschliche Ausscheidungen aufzufangen. Die Rede ist von Stuttgarts nach Kotze und Urin riechender Antwort auf die Frage, welches der kürzeste Weg vom Bahnhof zur international gefeierten Kulturmeile ist. Der überdachte Fußgängerweg zum Eckensee ist schlecht beleuchtet, stinkt und kann auch mit der Aussicht darauf, am Ende des Tunnels von einer Grünfläche und Hochkultur empfangen zu werden, nicht vor Magenverstimmungen retten. Dabei stellt sich doch die Frage, warum man an diesem Ort, der so große Anziehungskraft für Exkremente zu haben scheint, nicht einfach eine öffentliche Toilette einrichten kann?

Doch bleiben wir auf der Königstraße. Diese ersten Eindrücke von der Stadt können gerade für zart besaitete Touristen vielleicht zu viel werden. Besser sich unter eine der Platanen setzen und wieder zu Atem kommen? Leider ist das nicht mehr möglich. Vor einigen Jahren hat die Stadt auf eine für Stuttgart sehr typische Weise versucht, eines gesellschaftlichen Problemes Herr zu werden.

Sitzbänke weg: Stuttgarts Umgang mit Obdachlosen und Würde

Menschen aus mutmaßlich prekären Umständen, suchen sich seit jeher ausgerechnet diesen Vorhof zur Hölle zum Cornern aus. Das wollte die Stadt nicht hinnehmen und hat einfach alle Sitzbänke in diesem Bereich entfernen lassen. So hat man den Menschen, die kaum etwas besitzen, auch das weggenommen, was ihnen nicht mal gehört. Zum Leidwesen aller anderen, die einfach mal chillen wollen, ohne von der Stadtverwaltung diskriminiert zu werden. Doch ist das schon Schnee von gestern. Denn die Maßnahme hat nichts und niemanden vertrieben, außer die Würde der Stadt und der Menschen.

Es ist doch offensichtlich so, dass es Menschen gibt, die gerne in Bahnhofsnähe abhängen oder einfach ungestört in eine Stadt hineinlaufen wollen. Wie schön es doch wäre, wenn man das wirklich tun könnte, ohne von falsch verlegten Abluftrohren und fehlenden öffentlichen Toiletten daran gehindert zu werden. Es ist doch schon schlimm genug, dass man am Bahnhof wegen der elendigen Baustelle Fernwanderwege auf sich nehmen muss. Ein bisschen mehr Flair würde diesem Bereich doch echt gut tun. Ein Umbau in dem Bereich ist bald geplant, hoffen wir, dass zumindest der Bratfettgeruch wegkommt.