Das Rätsel um die grünen Punkte auf der Stuttgarter Königstraße ist gelöst. Foto: dpa

In der Königstraße in Stuttgart sind seit kurzem viele grüne Punkte auf dem Boden zu sehen. Zunächst wurde Greenpeace die Aktion zugeschrieben. Dabei ist der Grund ein ganz anderer. Und auch die Urheber haben mit der Umweltorganisation nichts zu tun.

Stuttgart - Grelle, grüne Punkte zieren gerade die Königstraße zwischen Schlossplatz und Hauptbahnhof und irritieren Passanten. Sogar Anfragen im Rathaus gab es dazu schon. Die Antwort lautete: Es handelt sich um eine Klima-Kunst-Kampagne im Hinblick auf die 21. Weltklimakonferenz in Paris im Dezember.

Jugendliche aus Stuttgart haben sich am Sonntagmorgen aufgemacht, um die am Asphalt klebenden Kaugummis anzupinseln. Sie nennen das künstlerische Intervention im öffentlichen Raum. Zu der Gruppe „Punkt“ gehören die 16- bis 18- jährigen Schülerinnen des St.-Agnes-Gymnasiums Amelie Bier, Greta Daum und Hannah Lenk sowie Chiara Pauly (Waldorfschule Kräherwald). Sie alle wollen durch ihre Kunstaktion auf den Klimawandel aufmerksam machen.

Kaugummis sind im Straßenbild allgegenwärtig

Warum Kunst? „Weil Kunst die Menschen schon immer berührt hat“, sagen die Aktivistinnen, „und nur wer berührt ist, kann auch etwas verändern.“

Warum sich die Gruppe Kaugummis ausgesucht hat, ist auch leicht zu erklären: „Jeder kennt sie. Im Straßenbild sind sie allgegenwärtig. Manche stören sie, manche bemerken sie nicht mal mehr. Die schwarzen Flecken auf öffentlichen Straßen waren einmal eine exquisite Mischung aus Erdöl, Aroma und Zucker.“ Nun haben sie die Kaugummis mit leuchtend grünen Kreidefarben angemalt, um den Dreck den Menschen wieder ins Bewusstsein zu bringen. Ihr Credo: „Wir alle verschmutzen damit unsere Erde und treten unseren Erd-Boden mit Füßen.“

Viele Wege in der City sind betroffen

Damit haben die Schülerinnen auf zwei Probleme hingewiesen: den Klimawandel und die Verunreinigung der Stuttgarter Gehwege. Eine Sprecherin des städtischen Eigenbetriebs Abfallwirtschaft (AWS) bestätigt: „Es gibt Straßen in der Stuttgarter Innenstadt, die stark durch festgetretene Kaugummis verunreinigt sind.“

Zum Hintergrund: Kaugummi tritt sich fest und dringt in die offenporige Straßenbeläge ein. Dies macht eine spezielle Reinigung nötig. „Um Kaugummis zu beseitigen, reichen die üblichen Maßnahmen der Straßenreinigung nicht“, sagen die Experten der AWS. Und die Bodenplatten aus Granit auf der Königstraße sind besonders heikel. Damit die Platten nach einer Reinigung ihr Erscheinungsbild behalten, sei laut AWS eine zusätzliche „ästhetische Reinigung“ der Beläge notwendig.

Spezialreinigung notwendig

Zuletzt hatte die AWS Ende 2007 und im April 2008 die damals neu verlegten Granit-Bodenplatten der Königstraße mit einer speziellen Maschine gereinigt. Dazu braucht man eine Maschine, die mit Dampf (200 Bar) und 140 Grad Celsius heißem Wasser die Kaugummis vom Boden ablöst. Solche Reinigungen vergab die AWS versuchsweise an einen Dienstleister.

„Während der Reinigung werden die Kaugummis gelöst und zusammen mit dem Schmutzwasser direkt aufgesaugt. Der Schmutz wird entfernt und nicht verschoben“, berichten die AWS-Experten, „der gesamte Prozess ist abgeschirmt, wodurch so gut wie kein Spritzwasser freikommt. Auch an schwer erreichbaren Stellen wie Ecken, rings um Pfähle und unter Bänken und Abfallbehältern werde gründlich gereinigt. „Hierfür wird ein manuelles Werkzeug eingesetzt, das mit der Maschine verbunden ist.“

Nach der maschinellen Reinigung werden die Oberflächen noch einmal überprüft. Hartnäckige Kaugummirückstände werden dann mittels einer sogenannten Hochdrucklanze manuell entfernt. Damit wird deutlich, dass solche Sonderreinigungen extrem teuer sind. Um die gesamte Königstraße (Reinigungsfläche 27 500 Quadratmeter) von Kaugummis zu befreien, rechnet die AWS mit rund 123 000 Euro.

Nicht nur wegen der Kosten unterstützt der katholische Stadtdekan Christian Hermes die giftgrüne Kunstaktion. Hermes kennt die Kaugummi-Plage. Vor seiner Kirche, dem Eberhardsdom, sowie dem Haus der Katholischen Kirche auf der Königstraße sind viele Kaugummiflecke. „Ich habe mich gerade vor ein paar Tagen mit dem ehemaligen Bürgermeister Hahn über das Kaugummiproblem und die immensen Kosten der Entfernung unterhalten“, sagt Hermes, „deshalb finde ich es gut, dass sich Amelie Bier und Chiara Pauly aus der Domgemeinde sehr engagieren.“ Tatsächlich sollte nun jeder bei der Entsorgung des Kaugummis zweimal nachdenken.