Derzeit zählt das Ordnungsamt bis zu zwölf Musikergruppen und Solisten in der Innenstadt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Zahl der Straßenmusiker in der City steigt. Was für Passanten eine nette Unterhaltung ist, lässt Anlieger verzweifeln. Das Ordnungsamt versucht, der Musiker-Schar Herr zu werden – spricht aber von einem „Sisyphos-Geschäft“.

Stuttgart - Die Mitleidsmienen können Steine erweichen. Die Familie, die aus einem südlichen Zipfel dieser Erde in Stuttgart gestrandet ist, bittet und fleht. Der Kleine, höchsten Fünf, zieht am Hosenbein des Papas. Und die Mutter redet abwechselnd mit ihrem Mann auf den Mann der Polizeibehörde ein. Sie wollen weiterspielen und singen. Musik ist Broterwerb. Und die Königstraße in Höhe des Domes St. Eberhard ist ihre Bühne.

Doch Stuttgarter der Ordnungshüter muss handeln. Er muss das Trio vertreiben. Kritisch blickt er die Ausweispapiere der Musikanten an und meint bestimmt: „Hier können sie nicht bleiben.“

Damit setzt er das um, was das Ordnungsamt der Stadt fordert: Musizieren ist erlaubt, aber nur in einem engen Rahmen. „Straßenmusikanten können eine Stadt beleben, sie freundlicher und bunter gestalten. Allerdings sollten sich nicht nur die Passanten über die Beiträge freuen, sondern auch die Anlieger und die in der Innenstadt arbeitenden Menschen. Deshalb bitten wir Sie, sich an diese Spielregeln zu halten.“

Nach 30 Minuten muss Schluss sein

Eine dieser Regeln lautet: Es darf immer nur zur vollen Stunde, jeweils eine halbe Stunde lang musiziert werden. Zum Bespiel von 11 bis 11.30 Uhr. Zwischen 14.30 und 16 Uhr darf überhaupt nicht musiziert werden. „Dagegen haben die drei verstoßen“, sagt der Mann von der Behörde, „sie spielen schon über eine Stunde hier. Jetzt haben sich Leute, die hier arbeiten beschwert. Zudem haben die ein Percussion-Instrument dabei. Das hört man bis zum Bahnhof.“

Eine Mitarbeiterin eines Drogeriemarktes bestätigt das Belästigungspotenzial, das die drei Musikanten haben: „Die spielen immer nur dieselben Lieder. Wenn man das dauernd hört, wird man matschig in der Birne.“

City-Managerin Bettina Fuchs kann die Klagen verstehen: „Das ist inzwischen eine Dauerbeschallung auf der Königstraße. Was zu viel ist, ist zu viel.“ Nach ihrem Eindruck haben die Musikanten in der Innenstadt stark zugenommen. „Mir geht es nicht darum etwas grundsätzlich zu verbieten. Es geht um das Maß.“ Dabei nimmt sie nicht nur die Straßenmusiker ins Visier. Fuchs findet, dass die Belastung der Königstraße insgesamt zu genommen habe. Durch Tauben und deren Dreck, durch Infostände von Sekten oder eben durch die Musiker. „Wer gemütlich durch die Stadt schlendern will, muss ja beinahe Slalom laufen“, sagt sie und hofft auf ein Einsehen beim Ordnungsamt.

OB kennt die Nöte des Handels

An oberster Stelle rennt die Citymanagerin jedenfalls offene Türen ein. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) verkündete erst neulich: „Wenn du für den Handel Qualität schaffen willst, musst du dich um die Aufenthaltsqualität in der Stadt kümmern.“ Also müsse man auch gegen zuviel Bettler, Infostände aber auch Musikanten vorgehen. Denn das Ziel des OB lautet: „Die Bedingungen des Inhaber geführten Handels zu verbessern.“

Auch Hermann Karpf, Referent des Ordungsbürgermeisters Martin Schairer, kennt die Probleme in der Innenstadt: „Frau Fuchs hat Recht. Zur Zeit sind mehr Musikanten in der Stadt als gewöhnlich. Das ist aber auch der Jahreszeit geschuldet.“ Karpf kennt seine Pappenheimer inzwischen. Er kennt auch die Familie, die zu dritt trällern und ihr Schlagzeug dabei haben: „Gerade diese drei singen sehr laut und sind seit ein paar Wochen unterwegs.“ Insgesamt schätzt er die Zahl der Straßenmusiker in der Innenstadt auf zwölf. Sie ständig zu ermahnen oder des Platzes zu verweisen, nennt Hermann Karpf ein „Sisyphos-Geschäft“. Kaum seien sie vertrieben, kämen sie zurück.